Nach dem viermonatigen Übernahmekampf zwischen den Baukonzernen ACS und Hochtief haben die Spanier mittlerweile ihren Anteil am deutschen Konzern auf über 30 Prozent erhöht und somit eine wichtige Hürde genommen: Denn nach deutschem Recht muss ACS bei einer 30-prozentigen Beteiligung kein teures Pflichtangebot mehr vorlegen und kann die angepeilte Mehrheitsbeteiligung am deutschen Unternehmen ohne Zeitdruck durch sukzessive Zukäufe an der Börse erreichen.
ACS hatte in den vergangenen Monaten alle Register gezogen, um sich die 30-prozentige Beteilung am deutschen Konzern zu sichern: Im Dezember wurde die Offerte zum Erstaunen vieler Marktbeobachter und entgegen vorheriger Beteuerungen noch einmal auf das Tauschverhältnis von neun eigenen Titeln für fünf Hochtief-Aktien erhöht. Und zu Beginn des neuen Jahres wurde die Annahmefrist für dieses Tauschangebot verlängert und endet nun erst am 18. Januar 2011.
Siegessichere Spanier…
Vor Ablauf der neuen Annahmefrist haben die Spanier nun bereits das Überschreiten der entscheidenden Grenze von 30 Prozent verkündet. Eigenen Angaben zufolge wurden ACS mittlerweile rund 2,4 Millionen Hochtief-Aktien angedient und der Anteil am Essener Konzern somit auf 30,34 Prozent erhöht. Die meisten dieser Aktien sollen vom US-amerikanischen Fonds Southeastern Asset Management stammen, dessen eigene Beteiligung an Hochtief damit nur noch bei rund 2,4 Prozent liegen dürfte.
Die Spanier trennt nach dem 18. Januar lediglich noch eine gesetzlich vorgeschriebene, einwöchige Widerrufsfrist von ihrem wichtigen Etappensieg. Die Wahrscheinlichkeit, dass die angedienten Aktien in diesem Zeitraum zurückgezogen werden, galt bisher als gering. Doch am Ende der zweiten Januarwoche kursieren in Finanzkreisen Gerüchte, wonach mehrere Hedge-Fonds erwägen, die Übernahmepläne von ACS durch massive Aufkäufe von Hochtief-Aktien noch im letzten Moment zu durchkreuzen.
Ursache für diese Gegenoffensive ist in erster Linie die große Unzufriedenheit vieler Hochtief-Aktionäre über das Tauschangebot von ACS. Rund 51 Prozent der Aktien des deutschen Konzerns befinden sich im Streubesitz, 30 Prozent werden schätzungsweise von Hedge-Fonds gehalten. Um das Erreichen der entscheidenden 30-Prozent-Marke zu verhindern, müssten die Fonds nun rund 265.000 der Hochtief-Aktien kaufen, die für den Tausch bereits angedient wurden. Diese Aktien haben eine eigene Wertpapierkennnummer und werden zurzeit an der Börse mit mehr als drei Euro über dem Preis der regulären Inhaberaktien gehandelt. Der Kauf dieser Anteile wäre also teuer, würde jedoch Druck auf ACS ausüben und unter Umständen dazu führen, dass die Spanier ihr Angebot abermals erhöhen.
…mit strapazierter Kriegskasse
Die Finanzen von ACS wurden jedoch bereits im vergangenen Jahr stark belastet. Zuletzt hatte der Baukonzern mit Sitz in Madrid seine Beteiligung am spanischen Stromversorger Iberdrola auf über 20 Prozent ausgebaut und dafür satte 2,6 Milliarden Euro investiert. Die Erholung des operativen Geschäfts lief in den vergangenen Monaten hingegen nur schleppend. Zwar konnte sich der Baukonzern dank konsequenter Diversifizierungsstrategien und der Erschließung internationaler Märkte 2010 erfolgreich von der anhaltenden Rezession im eigenen Land abkoppeln. Doch hohe Schulden belasten nach wie vor den Baukonzern. Auch für die Übernahmeofferte wollten sich die Spanier zunächst einen Teil der für den Tausch erforderlichen Aktien bei Großaktionären leihen. Doch hier hatte die deutsche Finanzaufsicht Einwände und zwang den spanischen Konzern stattdessen zu einer Kapitalerhöhung.
Das Erreichen der gewünschten Mehrheitsbeteiligung am Hochtief-Konzern dürfte dem spanischen Bauriesen bei der aktuellen Finanzlage jedenfalls ausgesprochen schwer gelingen. Nach aktueller Bewertung des deutschen Baukonzerns müssten die Spanier dafür immerhin rund eine Milliarde Euro aufbringen. Wenn ACS seine Anteile am Hochtief-Konzern in den kommenden Monaten allerdings nicht über die Börse erhöht, werden die Spanier voraussichtlich auch keine Mehrheit auf der kommenden Hauptversammlung des deutschen Konzerns erhalten.
Kontrollwechsel und Zerschlagung vorerst unwahrscheinlich
Die Führung des ACS-Konzerns hat in den vergangenen Monaten zwar mehrfach die Gerüchte über eine geplante Zerschlagung des deutschen Konzerns dementiert, doch die Aktionäre und Mitarbeiter von Hochtief fürchten dennoch den Kontrollwechsel. Auch die deutsche Bauwirtschaft macht sich Sorgen: Branchenpräsident Herbert Bodner sprach bereits von der Gefahr einer Teilung des Konzerns sowie von einer daraus resultierenden Abwanderung von Ingenieurswissen aus Deutschland und drohenden Kompetenzverlusten bei der Steuerung von internationalen Großprojekten.
Doch selbst der Sprung des ACS-Konzerns über die 30-Prozent-Hürde würde zunächst keine gravierenden Auswirkungen auf die Konzernführung bei Hochtief haben. Denn die bisherigen Change-of-Control-Klauseln mit Sonderkündigungsrechten der Banken wurden rechtzeitig durch neue Agreements ersetzt und dadurch die Finanzierung des Baukonzerns gesichert und gleichzeitig das Einwirken Dritter auf das Finanzmanagement des Konzerns verhindert.