Angebot bestimmt über Attraktivität: Knappheit macht neugierig – Verkaufsdruck macht skeptisch

'Nur noch wenige Äpfel da!' Knappheit verleitet zum Kauf (Foto: doozi, pixelio.de)Der Kauf eines Produkts hängt nicht allein vom Preis ab, auch die Verfügbarkeit einer Sache beeinflusst unsere wirtschaftlichen Entscheidungen. Dabei nehmen wir den Preis als ein festes Angebot wahr und sehen die Kaufentscheidung allein im Kontext von Angebot und Nachfrage. Dies bringt selbstverständlich auch die Annahme mit sich, dass das Produkt als ein lohnender Besitz empfunden wird und nicht als überflüssiger Ballast – die Knappheit eines Produkts hat einen subjektiven Wert erzeugt. Welche Hintergründe dieses psychologische Phänomen hat und wie es unser Handeln beeinflusst, soll dieser Artikel zeigen.

Schauen wir uns die Sachlage an einem konkreten Beispiel aus dem Alltag an: Normalerweise gehen wir in Geschäfte und holen Angebote von interessanten Dingen ein, die wir beabsichtigen, in nächster Zeit zu kaufen. Natürlich wollen wir dabei das günstigste Angebot haben und erkundigen uns bei mehreren Anbietern. Im Geschäft sehen Sie dann ein Produkt, das Sie schon lange gesucht haben und erkundigen sich nach dem Preis. Nachdem Sie sich dann vom Verkäufer eine Bedenkzeit wünschen, wird dieser wohl die Knappheit des Produkts mit Aussagen wie „Davon haben wir nicht mehr viele auf Lager“ unterstreichen. Kaufen Sie also?

Rare Produkte erscheinen uns attraktiver

Falls ja, dann hat das Prinzip der Knappheit funktioniert, denn nach diesem erscheinen uns seltene Güter als attraktiver und beeinflussen unsere Kaufentscheidung positiv. Doch von der Aussage wie in dem Beispiel aus dem Alltag gibt es noch andere: „Seltenes Exemplar“, „ Nur noch wenige verfügbar“ oder „Ausverkauf“! Es scheint eine regelrechte Masche der Verkäufer zu sein.

Dieser psychologische Mechanismus wird heute oft künstlich hergestellt, um mit dieser Täuschung die Kunden zum Kauf zu animieren. Dabei gibt es mehrere Strategien, ein Produkt als knappes Gut erscheinen zu lassen: Eine starke Nachfrage wird vorgegeben, ein Zeitlimit gesetzt oder die Begrenzung auf eine bestimmte Stückzahl sind gängige Maschen der Verkäufer, um den subjektiven Wert eines bestimmten Produkts zu steigern.

Reaktanz: Knappe Kekse sind begehrter

Eine klassische Studie aus der Psychologie gab diesem Phänomen eine wissenschaftliche Grundlage. Lee, Worchel und Adewole untersuchten dies schon im Jahr 1975. Sie ließen die Teilnehmer Plätzchen aus mehreren Schalen essen. Bei der Studie kam es darauf an, wie viele Kekse einer bestimmten Sorte in der jeweiligen Schale enthalten waren und welche dann zum Verzehr ausgewählt wurden. Wie man sich nun denken kann, aßen die Teilnehmer vor allem von den Keksen, von denen es nur noch wenige gab. Vor allem waren die Kekse beliebter, die vorher zwar reichlich da waren, aber dann von den Wissenschaftlern verknappt wurden. Die Teilnehmer nahmen an, dass die Kekse bei anderen beliebter waren und daher rar wurden. Dadurch stieg ihr subjektiver Wert umso deutlicher.

Ja gut, könnte man sagen, das sind alles mehr oder weniger Verkaufsstrategien, aber wo liegt denn der psychologische Kern dieses Mechanismus? Das Schlüsselwort heisst Reaktanz! Damit ist der Widerstand bezeichnet, der sich durch eine Einschränkung der eigenen Handlungsfreiheit bildet. Durch jede der oben genannten Verknappungsmethoden, also Zeitlimit, Begrenzung der Stückzahl, starke Nachfrage und Exklusivität, wird eine Reaktanz hervor gerufen. Das bedeutet, dass eine Verknappung für uns eine Beschränkung der Handlungsfreiheit bedeutet und die Reaktanz den Kauf begünstigt, da wir unsere Handlungsfreiheit wieder zurück erlangen möchten. Dieser Mechanismus erschöpft sich nicht durch den alleinigen Bezug auf Produkte, auch andere Bereiche wie Nachrichtenzensur oder Altersbeschränkungen sind davon betroffen. Somit wird klar, warum Verbotenes so attraktiv wirkt.

Offensichtliche Einflussnahme ruft Reaktanz hervor

Interessant ist dabei auch, dass einfache und offensichtliche Verkaufsstrategien genau das entgegengesetzte Verhalten hervor rufen: Wird nämlich erkannt, dass wir uns für ein bestimmtes Produkt entscheiden sollen, uns also jemand versucht zu manipulieren und eine Meinung vorzugeben, empfinden wir dies als Einschränkung unserer eigenen Entscheidungsfreiheit. Darauf reagieren wir mit Reaktanz, versuchen unsere Handlungsfreiheit wieder zu erlangen und lehnen das offerierte Angebot ab, selbst wenn wir vorher das Produkt erstehen wollten.

Zur Reaktanz gibt es eine klassische Studie aus dem Jahr 1970. Teilnehmerinnen konnten Sonnenbrillen auswählen, mit denen sie anschließend Fotoaufnahmen machten. Anschließend hatten sie die Gelegenheit, diese Brillen käuflich zu erstehen. Die angeblichen Verkäuferinnen, die natürlich zum Forschungsteam gehörten, gaben dabei Verkaufssätze wie „Sie sehen damit sehr gut aus“ von sich. In einer Kontrollgruppe erwähnten die Verkäuferinnen zusätzlich, dass sie mit Provisionen an den Verkäufen beteiligt werden. Bei der zweiten Gruppe war es somit für die Teilnehmerinnen ersichtlich, warum die Verkäuferinnen die Schmeicheleien lieferten, was eine Reaktanz förderte und somit deutlich weniger Sonnenbrillen verkauft wurden.

Reaktanz auf dem Parkett

Beim Börsenhandel ist der Mechanismus der Knappheit und der Reaktanz besonders deutlich und spiegelt sich direkt in den jeweiligen Kursen nieder. Dabei ist der aktuelle Kurs allein nicht entscheidend dafür, ob mit einem Wertpapier in naher Zukunft Gewinne gemacht werden können, sondern auch, ob und wie für Aktien geworben wird und welche Hintergrundinformationen über das jeweilige Unternehmen im Umlauf sind. Wissen Anleger zum Beispiel von der Wahrscheinlichkeit schlechter Nachrichten, kann dies zu einem Kurseinbruch führen. Ein aktuelles Beispiel für Reaktanz war die staatliche Übernahme der Hypo Real Estate. Die Aktionäre sahen in der Enteignung ihre eigene Handlungsfreiheit eingeschränkt und reagierten darauf entsprechend. Psychologen würden sagen, die Aktionäre der Hypo Real Estate wurden reaktant.

Solange ein Produkt oder auch andere Güter als knapp angesehen werden, steigert es den subjektiven Wert und die Motivation, dieses auch besitzen zu wollen. Erkennt der Mensch allerdings, dass diese Knappheit künstlich hervorgerufen wird und andere Gründe für den Verkauf existieren, reagieren die potentiellen Käufer mit Reaktanz und verschmähen das Produkt.

3 Gedanken zu „Angebot bestimmt über Attraktivität: Knappheit macht neugierig – Verkaufsdruck macht skeptisch

  1. Pingback: Psychologie der Preisfindung  • Börsennotizbuch

  2. Pingback: 12 Dinge – Serie Teil 3 | Lügner Blog

  3. SALESPROFI

    Was hier noch ausführlicher behandelt werden könnte ist die Commitment und Konsistenzregel, welche gerade beim Sonnenbrillenexperiment super gepasst hätte.

    Auf http://www.verkaufsstrategien.ch hat es eine Vielzahl von Verkaufsstrategien, die einem helfen besser zu verkaufen und gleichzeitig auch helfen weniger schnell überredet zu werden.

    Hier noch der direkte Link zu „Commitment und Konsistenz“ http://verkaufsstrategien.ch/uberzeugungspsychologie/commitment-und-konsistenz/

    Viel Spass dabei!

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