Begründung für Entscheidung gegen Pressefreiheit: Landgericht Hamburg sorgt sich um Markus Fricks Ruf

Die Rechtspraxis des Landgerichts Hamburg gefährdet die Pressefreiheit (Foto: Claus-Joachim Dickow)Bereits mehrmals mussten wir an dieser Stelle über unseren Rechtsstreit mit Markus Frick berichten. Der ehemals als Stimme des Geldes bekannte „Börsenexperte“ – so bezeichnet ihn das Landgericht Hamburg – hatte Aktien-Blog bereits vor Monaten eine einstweilige Verfügung zukommen lassen, weil wir in einem Artikel vom Sommer 2008 über einen Arrest eines Kleinanlegers gegenüber Frick berichtet haben, der nach einer außergerichtlichen Einigung beider Parteien Monate nach Erscheinen unseres Artikels nicht mehr vorlag. Der Vorwurf Fricks nachdem er sich mit seinen ehemaligen Gläubigern im Stillen geeinigt hat: Aktien-Blog hält inzwischen falsche Informationen auf seinen Seiten bereit. Unsere Argumentation: Erstens war dieser Artikel Monate alt und mit einem Datum gekennzeichnet, zweitens erfolgte die Einigung zwischen Frick und dessen vermeintlichem Opfer im Stillen und ohne unsere Kenntnis.

Nachdem wir eine kostenpflichtige Abmahnung des „Börsenexperten“ ignoriert hatten, bediente sich Markus Frick in Person seines Anwalts Dominik Höch des Landgerichts Hamburg und erwirkte eine einstweilige Verfügung. Unser prompter Widerspruch gegen diese Verfügung des Gerichts wurde abgelehnt. Monate später erreichte uns sogar eine Begründung des Landgerichts, die auf wenigen Seiten mehrmals vom Persönlichkeitsrecht des „Börsenexperten“ Frick spricht, das Wort Pressefreiheit jedoch nicht einmal erwähnt.

Berufsverbot für Blogger und Online-Journalisten?

Zwar erkennt das Landgericht Hamburg an, dass unser Artikel zum Zeitpunkt seines Erscheinens korrekt war, doch gebe es nach der Einigung zwischen Frick und dessen ehemaligen Gläubigern keinen Grund mehr für diese Berichterstattung. Da der besagte Artikel selbst nach mehr als einem Jahr nach seinem Erscheinen noch immer über Suchmaschinen oder Links zu erreichen sei, nutze selbst die Kennzeichnung des Artikels als „alt“ nichts – das Persönlichkeitsrecht des „Börsenexperten“ Frick werde nach Ansicht des Landgerichts durch das bloße Bereithalten des Artikels verletzt.

In der Begründung bringt das Landgericht seine Rechtsauffassung folgendermaßen auf den Punkt: „Dabei kommt es – jedenfalls wenn es sich, wie vorliegend, um rufbeeinträchtigende Behauptungen handelt – auch nicht darauf an, ob die Behauptung vormals zutreffend und zulässig war.“ Die Tatsache, dass es für Internetmedien in keiner Weise praktikabel ist, mögliche Änderungen von in Artikeln dargelegten Sachverhalten zu antizipieren, um täglich sämtliche Archivinhalte der Realität anzugleichen, ignoriert das Landgericht völlig. Auch die Verbannung älterer Artikel in ein Archiv, das weder mittels Suchmaschinen noch über Links erreichbar ist, kommt einem Berufsverbot für Onlinemedien und Blogger gleich.

Wir verlieren die Zuversicht nicht!

Auch die Anwaltskosten, die selbst ein Erstkontakt zwischen Onlinemedien und „Geschädigten“ mit sich bringt, ignoriert das Landgericht Hamburg in seiner Rechtsprechung. Wäre die anwaltliche „Information“ über geänderte Sachverhalte für Onlinemedien in Form von Abmahnungen nicht sofort mit hohen Kosten verbunden, könnte ein neuer Artikel sicherlich sämtliche Entwicklungen eines Sachverhalts beleuchten und die Leser unabhängig und objektiv informieren. Die gängige Abmahnpraxis hinterlässt jedoch den Eindruck, als ginge es nicht um objektive Information, sondern darum, kritische Berichterstatter unter Geiselnahme des Persönlichkeitsrechts mundtot zu machen.

In der Begründung seiner jüngsten Entscheidung hat sich das Landgericht Hamburg dieser Praxis angeschlossen und scheinbar nur oberflächlich geprüft. Wir glauben trotz der jüngsten Entscheidung auch weiterhin an die zweckgerichtete Abwägung zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsrecht und blicken dem für November terminierten Hauptsacheverfahren vor dem Landgericht Hamburg mit Zuversicht entgegen.

12 Gedanken zu „Begründung für Entscheidung gegen Pressefreiheit: Landgericht Hamburg sorgt sich um Markus Fricks Ruf

  1. Wolfgang

    Hallo,
    wirklich traurig wie es gelaufen ist, aber angesichts meiner Erfahrung zur Rechtssprechung in Bezug was Abmahnungen angeht, hatte ich nicht`s anderes erwartet.
    Aus meiner Erfahrung ist mir bekannt, dass ein Widerspruch in der Regel bei der Erstinstanz erfolglos ist, dabei wird nur formell geprüft und die Rechnung ausgestellt die der Abgemahnte zu zahlen hat.
    Der Streitwert (oft sechs stellige Beträge) wird in der Regel vom Abmahnanwalt sehr hoch angesetzt, um einem Rechtsstreit aus dem Wege zu gehen, andererseits klingelt es ordentlich in der Kasse.
    Ich drücke Ihnen die Daumen und hoffe, dass in der zweiten Instanz die Sachlage zu Ihren und der freien Presse entschieden wird.
    Good Luck!
    Wolfgang

  2. David von Mariani

    Hier nochmal meine objektive Rechtsauffassung zu dem Fall:

    Das grundsätzliche Anlegen eines Archives, dass nicht „Themen-Erstrangig“ bei google zu finden ist, halte ich für Rechtens. Desweiteren bin ich auch der Meinung, dass ältere Artikel automatisch in das Archiv verschoben werden sollten. Technisch sollte das durchaus für Programmierer machbar sein. Eine Zeitspanne von 3 bis 6 Monaten nach dem ersten Erscheinen des Artikels hielte ich für sinnvoll. Da dies aber noch nicht gesetzlich für Blogger und Internetjournalisten geregelt ist, und es meines Wissens diesbezüglich noch keine Grundsatz-Urteile gibt (das wäre mal eine Aufgabe für das BVG, wenn der Gesetzgeber diese Lücke nicht schließt),

    muss man den Fall Frick-Popp gesondert betrachten.
    Da es noch keine Regelung mit dem Archiv gibt, wäre
    die richtige Handlung des Herrn Höch gewesen, wenn er Herrn Popp auf den Umstand der Einigung zwischen dem Geschädigten und Herrn Frick hingewiesen, ihm die neue Sachlage belegt hätte (es war ja Stillschweigen vereinbart wurden), mit der Bitte, den Artikel zu löschen oder richtig zu stellen. Und zwar mit einfachen Brief – keine Abmahnung!
    Dann wären Herrn Popp keine Kosten entstanden und er hätte den alten Artikel innerhalb einer kurzen Frist (z.B. 1 Tag) nach Prüfung der Sachlage herausnehmen oder um die neue Sachlage ergänzen können.

    Herr Höch zog es aber vor, Herr Popp lieber gleich kostenflichtig abzumahnen, wohl wissend, dass Herr Popp aufgrund der Stillschweigevereinbarung von dem neuen Umstand mit dem Verzicht auf den Vermögens-Arrest, keine Kenntnis haben konnte.

    Insofern war es richtig, die Abmahnung des Herrn Höch hinsichtlich seiner Kosten zu ignorieren, aber nicht hinsichtlich der neuen Sachlage.

    Die richtige Handlung des Herrn Popp wäre die umgehende Löschung bzw. Ergänzung des Artikels (sofern belegt) gewesen.
    Die Kosten der Abmahnung wären ein Fall für die Gerichte gewesen, mit wenig Aussicht auf Erfolg seitens Herrn Höch, wegen der Schuldlosigkeit des Herrn Popp und seiner bedingten Unkenntnis.

    Nun weiß ich persönlich nicht, wann der betreffende Artikel entfernt wurde. Wenn er allerdings erst mit der einstweiligen Verfügung entfernt wurde, muss sich Herr Popp die Frage gefallen lassen, wieso er den neuen Umstand ignoriert hat.
    Wenn er den neuen Sachverhalt aufgrund mangelnder Belege nicht akzeptiert hat, hätte er zumindest Herr Höch noch auffordern müssen, ihm den neuen Umstand zu belegen ohne damit irgendwelche Eingeständnisse bezüglich der Abmahnegebühren zu machen.
    Wenn Herr Popp allerdings die Abmahnung des Herrn Höch grundsätzlich inhaltlich ignoriert hat (mit Belegen seitens Herrn Höch) erging meines Erachtens die einstweilige Verfügung zu Recht.
    Damit wird er wohl dann auch auf den (nicht notwendigen) Abmahnegebühren sitzenbleiben, es sei denn, das Gericht erkennt an, das Herr Höch eine Beweispflicht hatte, die er in der Abmahnung nicht hinreichend nachgekommen sei.

  3. Thomas

    @David von Mariani:

    Ich denke alte Artikel sollten im Sinne einer Dokumentation von Ereignissen aus der Vergangenheit grundsätzlich nicht angepaßt werden.

    Jeder normale Mensch weiß ja, dass ein Artikel mit dem Datum 01.01.2005 nicht die Situation von heute darstellen kann.

    Diskutieren könnte man jetzt darüber, ab wann ein Artikel als alt gilt.

  4. David von Mariani

    Thomas,

    doch ein Archiv ist sinnvoll, weil dann ältere Artikel nicht mehr tagesaktuell angepasst werden müssten. Sonst kommt unter Umständen jeden Tag ein Brief vom Anwalt.

    Im Archiv wären die Artikel dann eingefroren.
    Eine Zeitspanne von 3 bis 6 Monaten halte ich für sinnvoll.

    Natürlich sollte das Archiv auch über Links erreichbar sein, nur eben nicht mehr Themen-Erstrangig bei den Suchmaschinen. Eine Inhaltsübersicht würde es auch tun.
    Also z.B. bei google – aktien-blog Archiv Börsenjounalisten, Börsenautoren, Skandale usw. – und dann eine Suchmaschinen-Barriere, z.B. eine Registrierung, um zu den älteren Themen zu kommen.

    Wie gesagt, sonst kommt jeden Tag eine Abmahnung mit Löschungswünschen von Artikeln aus 19XX.

    Sollte es aber grundsätzlich so sein, wie du sagst, wäre auch ein Artikel von gestern, der heute schon überholt ist, tagesaktuell und bräuchte auf anwaltliches Verlangen nicht mehr geändert werden.

  5. David von Mariani

    Oder der Gesetzgeber gibt eine Frist vor, wie lange nach dem Erscheinen eines Artikels eine Abänderung oder Löschung durch anwaltlichen Verlangen mit entsprechenden Belegen noch zwingend möglich ist. Das könnte auch 3 oder 6 Monate betragen.

  6. Thomas

    @David von Mariani:

    Ein Artikel von gestern sollte nur geändert werden müssen, wenn die im Artikel enthaltenen Informationen gestern auch falsch waren.

    Steht in einem Artikel von gestern z. B.: „Der Verdächtige sitzt zur Zeit in Untersuchungshaft.“ und diese Information stimmte gestern, so sehe ich keinen plausiblen Grund, warum ich heute den Artikel von gestern ändern sollte, auch wenn der Verdächtige heute nicht mehr in Untersuchungshaft sitzt.

    Es besteht ein berechtigtes Interesse aller Leser zu erfahren, daß der Verdächtige gestern in Untersuchungshaft gesessen hat.

    Ich könnte den Artikel von gestern jetzt anpassen und den Satz „Der Verdächtige sitzt zur Zeit in Untersuchungshaft.“ in „Der Verdächtige saß gestern in Untersuchungshaft.“ ändern. Aber was passiert dann mit dem Datum des Artikels?

    Zu den Suchmaschinen:
    Alte Artikel aus dem Archiv nicht von Suchmaschinen indizieren zu lassen, ist keine Option, denn die Auffindbarkeit ist doch der Vorteil des Archivs. Wenn ich 2 Jahre später nicht mehr über eine Internet-Suche herausfinden kann, ob jemand seriös ist oder nicht, dann nützt einem ein Archiv nichts.

  7. Thomas

    @David von Mariani:

    Letztlich läuft das Urteil doch darauf hinaus, dass das Gericht sagt: „Der Kontext einer Veröffentlichung ist uns egal. Alles was im Internet steht muß immer aktuell richtig sein.“

  8. David von Mariani

    Ja schon Thomas,

    es geht ja auch nicht darum, dass die Artikel im Internet jederzeit richtig und aktuell sein müssen,

    sondern NUR DANN, wenn ein Anwalt auf eine Richtigstellung oder Aktualisierung besteht (berechtigtes Interesse).
    Natürlich alles in einer angemessenen Frist (also nur bei Artikeln, die nicht älter als 3 oder 6 Monate sind) und die der Anwalt belegen muss. Und zwar ohne eine Abmahnung im 1. Schritt der Kontaktaufnahme zu den Onlinemedium.
    Natürlich wäre die zweite, von mir in Posting 10. formulierte Variante besser als ein Archiv.
    Aber das entscheiden die Gerichte bzw. der Gesetzgeber.

    Das was derzeit Hamburg -ein fliegender Gerichtsstand- vorgibt, ist natürlich absoluter Blödsinn und nicht praktikabel.

    Ich befürchte, hier muss Karlruhe ein Grundsatzurteil sprechen.

  9. Dennis Schulz

    Toll Herr Popp!

    Vor Ihnen ziehe ich 10mal den Hut,
    dass Sie für Ihr (gerechtfertigtes) Recht
    kämpfen! Ich bin auf Ihrer Seit!

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