Die extreme Volatilität am Markt hält weiter an. In der zurückliegenden Handelswoche ging es – wie von uns prognostiziert – aber endlich mal wieder nach oben. Und zwar kräftig. Der Dow Jones konnte nicht nur zum ersten Mal seit Juli 2007 fünf Tage in Folge zulegen, sondern markierte sogar den zweithöchsten 5-Tages-Gewinn in seiner Geschichte, und die reicht ja immerhin bis zum 26.05.1896 zurück.
Der Dow Jones schaffte in der vergangenen Woche ein Plus von 9,7 Prozent, der S&P 500 von 12 Prozent und die NASDAQ 10,9 Prozent. Das klingt beeindruckend. Aber bisher handelt es sich nur um eine – wenn auch heftige – technische Korrektur in einem dramatisch überverkauften Markt (vgl. Gesamtmarkteinschätzung von letzter Woche).
Auf Monatsbasis (Freitag war der letzte Handelstag im November) verbleibt immer noch ein Verlust von 7,5 Prozent im S&P 500, von 10,8 Prozent an der NASDAQ und von 7,6 Prozent im Dow Jones. Damit reiht sich der November nahtlos an die ersten zehn überwiegend schwachen Monate des Börsenjahres 2008 ein.
Besonders interessant: Die Handelsvolumina waren seit Freitag vergangener Woche konstant sinkend. Die Indizes sind zwar von Tag zu Tag gestiegen, aber es gingen dabei immer weniger Stücke um. Am Freitag lag das natürlich auch an der verkürzten Handelszeit (es wurde nur bis 19 Uhr MEZ gehandelt), nachdem am Donnerstag ja wegen Thanksgiving die Börsen ganz geschlossen waren. Am Tag nach Thanksgiving sind die Amerikaner traditionell mehr damit beschäftigt, Weihnachtsgeschenke einzukaufen, als Aktien zu handeln.
Trotzdem ist das Bild aus chart- und sentimenttechnischer Sicht nun eher kritisch. Der mittelfristige steile Abwärtstrend seit August ist weiter intakt. Ein echter Bestätigungstag der Rally vom Freitag ist bisher ausgeblieben. Was man sich aus charttechnischer Sicht jetzt wünschen würde, wäre ein weiterer starker Handelstag mit weit überdurchschnittlichem Handelsvolumen. Erst dann hätten wir eine Bestätigung der kurzfristigen Rally. Bis auf weiteres gilt daher: Der aktuelle Bärenmarkt ist weiter intakt.
Wir stellen bewusst den US-Markt in den Mittelpunkt unserer Gesamtmarkteinschätzung, weil die USA auch die Richtung für den europäischen Markt vorgeben. Wer dies nicht wahrhaben wollte und von einer Abkopplung Europas und der Emerging Markets von den USA geträumt hatte, der wurde in den letzten Monaten eines Besseren belehrt.
Davon abgesehen ist die momentane relative Stärke am deutschen Markt trotzdem sehr erfreulich. DAX und MDAX stellten mit Zugewinnen von über 13 Prozent ihre amerikanischen Pendants im Wochenverlauf noch in den Schatten. Wir halten es durchaus für möglich, dass wir im kommenden Monat eine Abgeltungssteuer-Jahresendrally erleben. Nur wer noch im Dezember 2008 kauft, kann mit Haltedauer von mindestens einem Jahr den Gewinn steuerfrei realisieren. Ab 01.01.2009 fällt für Anleger aus Deutschland die Abgeltungssteuer an. Das könnte viele mittel- und langfristig orientierte Anleger dazu bewegen, noch vor dem Jahreswechsel zuzuschlagen.
Sollte sich der Markt in den nächsten Handelstagen stabilisieren, so dürften viele Kurzentschlossene noch in den Markt gelockt werden. Werbekampagnen von Fondsgesellschaften und eine verstärkte Präsenz des Themas Abgeltungssteuer in den Medien könnten ihr übriges dazutun, um eine Art Torschluss-Kaufpanik auszulösen.
Fazit: Zu Beginn der kommenden Woche könnte es durchaus zu kleineren Verlusten in Folge von Gewinnmitnahmen kurzfristig orientierter Trader kommen. Bis zum Jahresende rechnen wir aber bis auf weiteres mit einem tendenziell steigenden Markt. Auch eine Jahresabschluss-Rally ist speziell am deutschen Markt noch nicht vom Tisch. Neue Short-Positionen sollten daher nur sehr selektiv eröffnet werden, zumal der Markt nach wie vor stark überverkauft ist. Entsprechend ist auch die Long-Seite in unserem Musterdepot deutlich übergewichtet und wird es vorerst auch bleiben.
Dieser Artikel wurde mit freundlicher Genehmigung der Investment 24 AG aus dem Börsenbrief “Investment24” vom 29. November 2008 übernommen.
Steuern sparen ist nicht alles
Das Thema Abgeltungsteuer ist ja derzeit in aller Munde. Auf der Website http://www.abgeltungsteuer.de gibt es zahlreiche gute Artikel renommierter Autoren zur wesentlichen Erkenntnis, dass sich die Kapitalanlage auch ohne Steuerersparnis rechnen muss. Nicht zuletzt Banken, Versicherungen und Finanzdienstleister haben mit dem Thema ein verkaufsförderndes Argument entdeckt, um in Zeiten unruhiger Börsen und grassierender Rezessionsangst dem schleppenden Absatz von Finanzprodukten auf die Sprünge zu helfen. Oft wird die Frage vernachlässigt, ob es überhaupt Sinn macht, sich nur wegen der Steuerersparnis für eine bestimmte Kapitalanlage zu entscheiden. Die Antwort lautet durchweg: „nein“.
K. Schmid