Die Turbulenzen auf den internationalen Kapitalmärkten werden sich bald auf sehr viele Lebensbereiche auswirken. Gerade in solchen Zeiten werden unzählige Fragen wach, auf welche ich hier schon vorab Antworten zu geben versuche. Viele Sorgen sind absolut berechtigt, hingegen wird man als Berater dieser Tage auch mit Fragen konfrontiert, die ihren Ursprung lediglich in den allgegenwärtigen Panik-Schlagzeilen haben. In Zeiten wie diesen ist es notwendig, die Aufmerksamkeit auf die wirklich wesentlichen Faktoren zu lenken und sich nicht von der Emotionsmache der Medien anstecken zu lassen.
Ich werde im Folgenden den Versuch einer sehr vereinfachten Sachverhaltsdarstellung (wenn so etwas überhaupt möglich ist) unternehmen – schließlich möchte ich keine meiner Leserinnen und Leser allzu sehr überfordern! Wer detaillierte Informationen wünscht, der kann sich natürlich jederzeit telefonisch bei mir melden. Überdies möchte ich auch betonen, dass es sich hier um eine absolut persönliche Einschätzung der Lage handelt. Ich erhebe keinerlei Anspruch auf Allgemeingültigkeit (sofern es eine solche gibt). Meine Sicht der Dinge ergibt sich aus zahlreichen Gesprächen mit anderen Vermögens- und Versicherungsberatern, Bankfachleuten und Börsenexperten und bezieht sich teilweise auf die Situation in Österreich. Auch gebe ich hier den allgemeinen Konsens auf aktuellen Kongressen und Beratertagen wieder.
Zinsen
Die Leitzinsen der Europäischen Zentralbank wurden jüngst um 50 Basispunkte (d. h. um 0,5%) gesenkt. Eine derartige Zinssenkung ist enorm und spricht für die Ernsthaftigkeit der Lage. Man will damit der „Austrocknung“ der Inter-Banken-Liquidität in Europa entgegenwirken. Auf die Börsen hat sich dies momentan aber noch nicht positiv niedergeschlagen. Dennoch ist dies ein absolut notwendiger Schritt in die richtige Richtung.
ABER:
Diese Zinssenkung wird sich auf unsere Sparbücher zwar auswirken, es besteht jedoch kaum eine Hoffnung, dass damit auch Kreditraten bald sinken. So wie es aussieht, werden die Banken versuchen, diesen Vorteil NICHT an ihre künftigen Kreditkunden weiterzugeben! Ganz im Gegenteil: Wer momentan eine Finanzierung seines Wohneigentums plant, der sei gut und vor allem bankenunabhängig beraten. Die Kampfkonditionen der Tiroler Banken sind nun Geschichte. Die gestiegenen Liquiditäts- und Refinanzierungskosten auch unserer hiesigen Banken werden vom Staat (und somit von uns) gestützt und noch dazu werden uns auf der Kundenseite in Zukunft wesentlich höhere Gebühren aufgebrummt werden!
Bewegten sich die Margen von Tiroler Banken bis vor kurzem noch zwischen 1 und 1,5 Prozent, so werden in Zukunft mindestens 1,5 bis 2 Prozent berechnet werden. Im Fremdwährungsbereich werden bewusst unattraktive Konditionen vergeben, um den Zulauf in diesem (bisher sehr großen) Segment zu stoppen. Wer der Wohnbauförderung würdig ist, der hat vermutlich noch Glück. Eine über das Land Tirol reglementierte Wohnbauförderungskondition beim Bankkredit bekommen zu haben, ist mittlerweile sehr viel Geld Wert!
Wer bereits eine bestehende Wohnbaufinanzierung hat, der kann sich (so wie es aussieht) auch glücklich schätzen – Konditionen wie in den letzten paar Jahren wird es so schnell nicht mehr geben. Wer einen Schweizer-Franken-Kredit hat, der könnte auch zu den Gewinnern zählen. Denn diese Finanzierungsform könnte sehr bald (für kommende Finanzierungen) in Österreich Geschichte sein!
Es scheint tatsächlich so, dass der „Ottonormalverbraucher“ die Finanzlöcher der Banken stopfen muss und sich im Gegenzug die Banken in Zukunft noch mehr am Konsumenten „gesundstoßen“ werden. Aber da kann sich jeder selbst seine eigene Meinung bilden. Angeblich wollen viele Banken mobil machen und in Zukunft die Kreditkonditionen bestehender Kunden nachverhandeln. Sollte sich ihr Bankbetreuer mit einem derartigen Ansinnen an Sie wenden, sollten Sie einen unabhängigen Experten hinzuziehen.
Währungskurse
In den letzten Jahren war eine Schweizer-Franken-Finanzierung quasi Standard. Wer vernünftig vorging, der hat einen günstigen Einstiegskurs genutzt. Tatsächlich könnte es nun sein, dass der Wert des CHF in Zukunft wieder steigt (d. h. der Wechselkurs fällt!). Schließlich ist der CHF in Krisenzeiten immer eine Fluchtwährung – d. h. die Nachfrage und somit der Wert des CHF (und damit auch der Wert der Schulden) steigen.
ABER: Auch wenn jemandem dieses Szenario tatsächlich ein (zwischenzeitliches!) Mehr an Schulden einbringt, dann bedenke man, dass in seriösen Finanzierungen stets eine Überdeckung von bis zu 30% im Tilgungsträger eingerechnet wurde, wodurch sich das (langfristige) Risiko relativiert. Außerdem wird bei den meisten endfälligen Krediten nach 25 Jahren abgerechnet – bis dahin sind noch viele gegenteilige Entwicklungen möglich.
Natürlich hoffen jetzt viele Kunden auf Zinssenkungen, damit die Kredite wieder günstiger werden. Dass aber damit in Europa auch eine steigende Inflation verbunden ist, sei auch erwähnt. Und diese kann sich natürlich auch ungünstig auch einen EUR/CHF Kurs auswirken, und, und, und…
Fonds
Momentan liegen quasi alle Aktienfonds im Schnitt mit 25 Prozent im Minus. Der „breite Markt“ sogar mit etwa 40 Prozent. Derartige Zahlen sind zwar sicher nicht von schlechten Eltern, de facto hatten wir im Jahre 2002 bereits ähnliche (und schlimmere) Ergebnisse bei Aktienfonds. Immerhin hatte der Aktienmarkt nach dem Platzen der Internetblase im Jahre 2001 bis zum März 2003 quasi nur nach unten korrigiert. Ziemlich genau (welch ein Zufall!) mit Beginn des Irakfeldzuges der Amerikaner setzte dann ein massiver Kursanstieg ein, welcher bis 2007 andauerte. Betrachtet an die Charts ganz gewöhnlicher Aktienfonds, so zeigt sich überall das gleiche Bild.
Tatsächlich berichteten die Tageszeitungen bis zum Ende des Jahres 2005 von sich „seitwärts“ entwickelnden Börsen – das war schlichtweg falsch. Erst als die Börsen auf Höchstständen waren, wurde in der breiten Öffentlichkeit der Aktienmarkt angepriesen. So – und immer so – funktioniert das Geschäft mit dem Fußvolk.
Alle reden jetzt von einer Weltwirtschaftskrise – dies zu beurteilen maße ich mir keineswegs an. Zweifelsohne – bei einer derart offensichtlichen Hilflosigkeit in der Bankenwelt kann einem leicht mulmig werden – zurecht.
Was bedeutet das für Aktienfondsparer? Dass Aktien und Aktienfonds alle paar Jahre ein ordentliches Minus machen, das ist quasi ein ehernes Gesetz. Monatssparpläne in gut diversifizierte Aktienfonds beweisen sich gerade in solchen Zeiten als langfristiger und nachhaltiger Renditebringer. Ein monatlicher Sparplan profitiert von den niedrigen Kursen, wodurch momentan sehr viele Fondsanteile erworben werden können.
Diejenigen Leser, welche in den Jahren 2001 einen Aktienfondssparplan gestartet haben, kennen dieses Szenario aus eigener Erfahrung: Obwohl im Jahre 2005 die Charts effektiv noch im Minus (zu 2001) standen, waren die Kundendepots bereits im Plus. Ein Aktienfondssparplan ist deshalb längerfristig ein sehr vernünftiges Mittel, um von mittelfristig tiefen Kursen zu profitieren.
Ganz anders könnte die Lage bei Anleihefonds aussehen. Deren Kurse entwickelten sich in den letzten Jahren leicht nach unten oder bestenfalls seitwärts. Schließlich litten diese natürlich unter den steigenden Zinsen. Da von nun an die Zeit der Zinssteigerungen vorbei sein wird, wächst natürlich die Nachfrage nach gut verzinsten Anleihen, wodurch sich hier die Kurse nach oben entwickeln sollten.
Fondsdepots
Dass der Staat die gesetzliche Einlagensicherung bei Sparbüchern anhebt (bisher galt diese nur bis € 20.000.-) ist vernünftig, soll doch offiziell das Vertrauen der Verbraucher erhalten werden. Inoffiziell geht es doch viel eher darum, dadurch mit Deutschland gleichzuziehen. Diese hatten diesen Schritt schon vorher gemacht. Was glauben Sie, wie viel deutsches Geld (vor allem von Tiroler Banken) wieder nach Deutschland zurück gewandert wäre, wenn Herr Molterer nicht prompt reagiert hätte? Dass Tiroler Banken nun förmlich auf Nadeln sitzen ist klar – da gehts zum Teil um deren Existenz.
ABER:
Fonds (egal ob Aktien oder Anleihenfonds) und die diesbezüglichen Depots waren immer schon außerhalb der Konkursmasse der Depotbank. Sollte wirklich eine österreichische Bank zum Opfer dieser Bankenkrise werden, so darf diese auf das Kapital von Fondsdepots nicht zugreifen. Sparbücher sind von der Leitzinssenkung direkt betroffen. Die hohen Zinsen sind bald Geschichte. Wer aber hofft, dass Kredite auch demnächst günstiger werden, der könnte leicht enttäuscht werden. Es wird interessant werden, wann dieser Vorteil von den Banken an uns wirklich weitergegeben wird…
Garantieprodukte
Eines hat sich wieder eindrücklich bewahrheitet – Garantie gibt es nicht! Tatsächlich waren die ehemaligen „Lehman Brothers“ Garantiegeber für drei sehr große und namhafte österreichische Versicherungen. Garantie frisst immer Rendite! Und wenn dann nebenbei der Garantiegeber in den Konkurs schlittert, dann waren genau diese Kosten (und diese schlucken mindestens bis zu 80 Prozent der Veranlagung) umsonst!
ABER: Garantieprodukte lassen sich eben besser verkaufen. Was man wirklich davon hat, das sieht man erst am Ende der Laufzeit…
Wie lange kann so eine Krise dauern?
Das weiß keiner. Momentan tauchen in der ganzen Finanzwelt die U-Boote „fauler“ paketierter Subprimekredite aus Amerika auf. Welche Wechselwirkungen im Banken- und Wirtschaftssystem generell am Zuge sind, das können nur die Wenigsten erahnen.
Aber – wer längerfristig in Substanzwerten investiert ist, liegt selten falsch. Voreilige, emotionale Entscheidungen sind meistens falsch. Tatsächlich gibt es auch in dieser Krise schon wieder Mutige, welche einkaufen und kurzzeitig enorme Gewinne machen. Ob dies schon der richtige Zeitpunkt ist, nachhaltig zu investieren, ist schwer zu sagen – aber ein antizyklisches Verhalten (also entgegen der Herde) war und ist meist der richtige Weg.
Man überlege sich ganz einfach die „Logik“ der Finanzwelt. Warum können Wenige denn so viel „verdienen“? Und vor allem mit wem? Das sind dann wohl immer die Vielen.
Wohnungsmarkt
Die Kreditvergabe der Banken wird vorerst restriktiver werden. Wer darunter litt, dass die Wohnungspreise in Tirol gelinde gesagt horrend waren und sind, da kann jetzt vielleicht auf eine gegenteilige Entwicklung hoffen. Schließlich brauchen Bauträger auch zahlungsfähige Käufer. Dass sich eine geänderte Kreditpolitik wirtschaftlich wie eine angezogene Handbremse auf alle möglichen Bereiche auswirkt, das ist auch klar.
Immobilienaktien
Hier tun sich tiefe Gräben zwischen einzelnen Titeln auf. War die ehemalige Meinl European Land (jetzt „Atrium“) noch vor wenigen Monaten der Buhmann der Nation. So scheint diese vom derzeitigen Börsencrash natürlich (wie jedes andere Papier der Wiener Börse auch) genauso betroffen zu sein.
Aber bei Weitem nicht so sehr wie die Papiere von Immofinanz oder Immoeast – Warum?
Kurz gesagt
Dieses Papier wurde (zum Glück!) noch im Juli an die CPI/Gazit Gruppe (Hinter CPI steht die CITIGROUP, die vermutlich weltgrößte Bank) verkauft. So wurde damit auch die laufende Projektpipeline (ca. 160 Immobilien bestehen, 32 sollten in den nächsten Jahren fertiggestellt werden) des Unternehmens sichergestellt. Die haben also einen starken Partner, sprich es wurde noch vor dem Aufkommen des totalen Bankendilemmas für Liquidität gesorgt.
Immofinanz und Immoeast sollten zwar (laut Gerüchten) an amerikanische Investoren verkauft werden – das ist leider aber nie passiert und wird in der jetzigen Weltwirtschaftlage vermutlich auch nicht bald geschehen. Hier gibt es also einen Liquiditäts-Engpass. Um für liquide Geldmittel für die noch ausstehenden Projekte (die sich auf die Bilanz erst mit Fertigstellung positiv auswirken) zu sorgen, könnte man ja theoretisch Immobilien verkaufen …nur wer kauft die jetzt? Und jetzt Kredite zu bekommen ist quasi unmöglich.
So erklärt sich auch, dass plötzlich Immofinanz und Immoeast beinahe bei einem Zwölftel ihres historischen Höchststandes liegen. Es kann sich nun sehr leicht bewahrheiten, dass der Verkauf der European Land das Beste war, was der Gesellschaft und somit deren Anlegern passieren konnte.
Hier eine Einschätzung eines Erste Bank Analysten aus dem Wirtschaftsblatt vom Freitag:
„Und wie sieht es jetzt an der Börse aus? Alle österreichischen Immo-Aktien sind mehr als günstig bewertet, das zeigt sich zum Beispiel am Kurs-Buchwert-Verhältnis (im Wesentlichen dem Net Asset Value gleichzusetzen): Sahen wir vor einem Jahr noch ein Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) von bis zu 1,5, so liegt die Kennzahl heute im Schnitt bei 0,34.
Sieger im Börsentest ist die ECO Business – wobei der Wert mit Vorsicht zu genießen ist, zählt er doch zu den kleineren Immo-Unternehmen. Interessant ist, dass sich Atrium auf Platz zwei zurückgekämpft hat – vor allem das hohe erwartete Gewinnwachstum brachte das Unternehmen nach vorne.“
Liebe Leser, der Markt bereinigt sich gerade – und das ordentlich. Niemand wird von den Veränderungen verschont bleiben. Generell lässt sich „Entwicklung“ nicht aufhalten. Man kann jetzt versuchen, sich gegen den Lauf der Dinge zu stellen, oder man bleibt aktiv und wachsam, denn nur so versetzt man sich in die Lage aktiv seine Zukunft in einer sich verändern Welt mitzugestalten.
Eines sei gesagt, je länger diese Krise jetzt dauert, desto geläuterter und gesünder wird (hoffentlich) jener in Zukunft sein. Schon jetzt gehen die Regierungen daran, den großen Spekulationsgeschäften den Hahn abzudrehen und international neue, für alle geltende Regelwerke zu erstellen. Diese sind notwendig, um eine offene, transparente Kommunikation zwischen Konzernen und Regierungen zu ermöglichen. Die Probleme und Brandherde, welche sich in den vergangenen Jahren zu tickenden Zeitbomben entwickelten, bekommen wir jetzt zu spüren.
Wirtschaft – nicht mehr als Spiegelbild von Egozentrismus, Misstrauen und Irrsinn, sondern Wirtschaft als evolutionär notwendige, menschliche Errungenschaft zu begreifen, das könnte mehr und mehr aus solch einem Läuterungsprozess hervorgehen.
Das klingt sicherlich idealistisch (ist es auch), dennoch gehört dies sehr wahrscheinlich zu unseren zukünftigen Aufgaben. Also, jeder für sich kann sich nun entscheiden, von Panik gelähmt in Ohnmacht zu erstarren oder intelligent und flexibel auf neue Verhältnisse zu reagieren und wertvolle Erkenntnisse daraus zu ziehen. Die einzige Konstante ist die Veränderung.
„Wer sich nicht ändert, bleibt nicht der Gleiche!“
(Berthold Brecht)
Übrigens:
Das Wort „Krise“ kommt aus dem Lateinischen („crisis“) und bedeutet soviel wie „Wendepunkt“, „Wende“…
Johannes Fischler ist Vermögensberater und Psychologe.
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