Medien, Ängste, Kursverluste und der ganze Rest: Über Macht und Ohnmacht am Kapitalmarkt

In einer globalisierten Welt scheint nicht mehr die Politik der Moderne das Weltgeschehen zu steuern, sondern vielmehr die multinationale Wirtschaft der Postmoderne. Wer oder was ist denn diese so genannte „Wirtschaft“?
– Gedanken des Psychologen und Vermögensberaters Johannes Fischler –
Wirtschaft sind WIR ALLE. Eine Wahrheit, mit der wir vor allem in jüngerer Zeit immer massiver konfrontiert werden und die uns einlädt, neues Bewusstsein für eine globale Interdependenz zu entwickeln. Es sind nicht nur die großen Konzerne und deren „Führer“, welche die Fäden ziehen. Nein, in einer Welt, welche einer globalen Energie-, Umwelt- und wachsender Sozialkrise entgegensteuert, wächst die Sensibilität des Einzelnen und somit sein Verantwortungsgefühl im „global village“ (hoffentlich!). Wir sind dazu eingeladen, uns weniger als Opfer, sondern zusehends als Mitgestalter einer globalen Wirtschaft zu verstehen.

Wer steuert wen?
In Zeiten, in denen Informationen in Echtzeit von beinahe jedem weltweit zugänglich werden, sind uns vermehrt die Mittel in die Hände gegeben, hinter den Schleier medialer Berichterstattung zu blicken und wir sollten diese tunlichst nutzen.

Denn Bild-, Radio und Printmedien leben nach wie vor von unseren Ängsten. Ängste, welche (evolutionär gesehen) bis vor nicht allzu langer Zeit noch einen recht realen Hintergrund – so zum Beispiel die durchaus verständliche Furcht des Homo Erectus (lat. „aufgerichtet“) vor dem potentiell lauernden Säbelzahntiger – hatten, betreffen heute vielmehr unsere Selbstbilder. Ging es damals noch ums nackte Überleben, so leben wir heute nicht minder furchtsam, wenn es zum Beispiel um den Verlust von Prestige, Status und sozialer Rolle geht. So gesehen sind wir vielleicht zwar vom Baum herab gestiegen, für viel mehr hat’s aber offensichtlich noch nicht gereicht. Und überall lauert der Feind!

Angst ist aber selten ein guter Ratgeber. Gerade dieser Tage scheint sich wachsendes Misstrauen gegenüber der Weltwirtschaft an polemischen Schlagzeilen zu nähren. Der Tiger ist erneut umtriebig – er scheint wieder auf Beutefang und die Welt erzittert vor der drohenden Rezession.

Die Sinnlosigkeit einer bloßen Eventkultur lechzt nach Sensationen. Das seichte Gemüt von damals ergötzte sich an öffentlichen Hinrichtungen, heutzutage sind es die Schlagzeilen der Tagespresse, welche uns stetig mit Bedrohungen und Feindbildern versorgen. Sie bestätigen unser trügerisches Gefühl von eigener Ohnmacht, in welchem wir uns gerne selbstvergessen wälzen. Es wirkt so, als seien wir in unsere Opferrolle geradezu verliebt. Infolge dessen muss also immer irgendwer an irgendwas schuld sein, selten wir selbst. Der Pranger von damals als Titelseite von heute.

Die Medien wissen das nur allzu gut und versorgen unsere Wahrnehmung mit alldem, wonach wir selbst verlangen. Die Nachfrage bestimmt das Angebot. „Only bad news are good news“.
Vor diesem Hintergrund sollte man die so genannte Objektivität der Tagespresse sehen.

Von der Presseagentur bis zum kleinen Journalisten, überall haben wir es mit Menschen zu tun. Wir beauftragen sie täglich, uns Feindbilder zu liefern und diese nehmen unseren Auftrag gewissenhaft an. Vielmehr noch, wenn sie sich als geradezu heroische Kämpfer für die Interessen des „kleinen Mannes“ verstehen und in dieser Rolle für sich wiederum nur zu gerne Identität finden.

Fakten finden in diesem emotionalen Morast keinen guten Nährboden. Kauf- und Verkaufsentscheidungen bedürfen aber geistiger Nüchternheit. Wer sich von der Berichterstattung für den Ottonormal-Verbraucher (denn nur soviel wollen mache sein!) blenden lässt, wird immer den Kürzeren ziehen. Man verfolge einfach mal sämtliche Wirtschaftskrisen und die diesbezüglichen Empfehlungen so genannter Experten über die letzten Jahrzehnte zurück. Quasi NIE war der „Konsument“ gut damit beraten, den plakativ präsentierten Trends der Boulevardpresse zu folgen.

News werden nun mal gemacht. Sie sind Produkte, welche mit uns ihre Käufer finden. Jedes Produkt bekommt heutzutage ein Design. Wer sind die Designer im Hintergrund? Dazu werfe man einfach einmal ein Auge auf die Eigentumsverhältnisse österreichischer Tageszeitungen. Hier ist der Bankensektor auffällig häufig vertreten. In diesem Lichte wird es verständlich, dass oft bei Höchstständen noch zum Kauf und genau bei tiefsten Kursen zum (Schluss-) Verkauf geraten wird (damit meist wer anderer zu Diskontpreisen einkaufen kann!). Wer den Headlines blindlings verfällt, geht oft leer aus. Das Geschäft machen demnach die im Hintergrund.

Wir können uns selbst entscheiden, ob wir jeder künstlich erzeugten Panik blindlings auf den Leim gehen oder ob wir unsere Entscheidungen auf wertvollere Informationen stützen. Diese flimmern zwar selten abends um halb Acht über den Bildschirm, doch es genügt oft schon, einen Schritt zurück zu treten, Überblick zu gewinnen und zwischen den Zeilen zu lesen.

WARUM schreibt WER genau WAS?
Was bezweckt er damit? Diese Fragen behalte man stets im Hinterkopf!

Auch sollten wir uns die Frage stellen, ob uns der Konsum von Sensationspresse (und was deren Wirtschaftsteil betrifft, nehme ich hier kaum irgendeine österreichische Tageszeitung aus!) wirklich Mündigkeit verleiht oder ob hier doch nur weiterer Bedürfniserweckung und vor allem Verdummung Vorschub geleistet wird? Auch hier ist unsere Kaufentscheidung wie immer eine Wahlentscheidung.

Wir entscheiden selbst, welche Nachrichten wir konsumieren. Wir entscheiden, ob wir unsere Sensationslust mit medialem Junk Food befriedigen wollen oder ob wir unser Interesse Wertvollerem zuwenden. Also bestimmen wir mit, was uns in Zukunft aufgetischt wird. Wir selbst kreieren unseren medialen Speiseplan.

Panem et circenses (lat. „Brot und Zirkusspiele“) hieß es noch im alten Rom. Es ist nun an der Zeit, die Vergangenheit hinter uns zu lassen. Das Fußvolk einstiger Tage ist gut damit beraten, die Scheuklappen abzulegen, Schuldzuweisungen zurückzustellen und eigenverantwortlich die Zukunft mitzugestalten.
Politik, Gesellschaft, Wirtschaft sind nicht Diese oder Jene, sondern wir alle.

Über den Autor:

Mag. Johannes Fischler ist Vermögensberater und Psychologe.

2 Gedanken zu „Medien, Ängste, Kursverluste und der ganze Rest: Über Macht und Ohnmacht am Kapitalmarkt

  1. M. Bittrich

    Großartiger Artikel, und mit vielen Steilvorlagen versehen.

    Heute berichtet der Spiegel nur unter „ferner liefen“, dass Süßstoff sogar dick macht anstatt das Gegenteil. Wieso wird das nicht als Schlagzeile tagelang Pflichtthema? Würde man von Süßstoff auf andere Nahrung zurückschalten, würde nicht ein einziger Arbeitsplatz verloren gehen. Aber getan wird trotzdem nichts. Weder Künast noch Öko-Test werden etwas bewegen. Aber nein, das von Rumsfeld&Co seinerzeit verbreitete Aspartam würde ja weniger Geld abwerfen, undenkbar!

    Millionen ahnen, vermuten oder wissen um diese Themen. Es interessiert aber immer weniger Menschen, denn fette, satte Menschen sind träge, gehen also nicht auf die Straße zum Demonstrieren, der Plan ist also bisher prächtig aufgegangen. Was machte bspw. Bush? Bildungs-Etat zusammenschrumpfen, Entwicklungshilfe (wegen der Rohstoffe) verstärken. Die Amis werden also noch fetter und dümmer, wage ich zu prognostizieren. Und wir folgen brav.

    News… Sendungen wie Sabine Christiansen, Christiane Sabinsen usw. kann kein Mensch bei gesundem Verstand gucken, denn wann wurde JEMALS etwas danach bewegt oder beschlossen? Nie. Überflüssiger Dreck, auf dem Rücken von GEZ-Zahlern.
    Wer guckt denn noch Tagesschau? Zu viele Menschen. Können die auch nur EINEN EINZIGEN Umstand innerhalb dieser News beeinflussen? Klares „Nein“. Es mag interessant sein – aber nicht wichtig für den Einzelnen. Ach, eine Explosion eines Wohnhauses in Deutschland? Interessiert mich nicht. Aber haben Sie schon gehört: Heute sind wieder mindestens zweitausend Menschen in Afrika verhungert. Und morgen wieder. Das wären News, theoretisch.
    Jugendliche, selbst wenn sie es nicht realisieren, spüren aber, dass sie mit Jamba-Abos und diesem Müll nur veralbert werden. Das Ergebnis ist Interessenlosigkeit und Abstumpfung.

    Was für ein Trauerspiel, dass das Mentorenkonzept im Alten Griechenland vor Tausenden Jahren schon fortschrittlicher war als der Mist heutzutage. ABER: Die Politik tut heute ALLES dafür, starke bürgerliche Einheiten zu vermeiden, „kleine Dörfer“ auch innerhalb von Großstädten, die Kindern Struktur beim Aufwachsen bieten könnten. Der Grund ist, dass vereinte Menschen eine gewaltige Macht gegen den Staat bilden könnten, und das passt ihm gar nicht. So entstehen übrigens auch „Visa-Affären“… Wo wir schon bei Börse sind: Wo ist das Schulfach „Geldlehre“? Der Staat hat ü-ber-haupt kein Interesse an finanziell unabhängigen Bürgern! Wie hieß es schon in Schriften der Kirchen und Fürstenhäuser in den letzten Jahrhunderten:
    „Das Volk dumm halten, dann läßt es sich leichter regieren!“

    Oder wie heißt es: „Ein Optimist ist jemand, der nur noch nicht richtig informiert ist!“ …

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  2. Nico Popp

    Ich finde den Artikel ebenfalls sehr gut! Gerade in unseren „vernetzten“ Zeiten, in denen Nachrichten innerhalb kürzester Zeit verbreitet werden und die Frequenz der Meldungen immer stärker wird, muss man sich überlegen, woher diese Meldungen eigentlich kommen. Je schnelllebiger das Geschäft, um so anfälliger sind Agenturen und Presse, irgendwelchen Hypes oder sogar Halbwahrheiten aufzusitzen.

    Gerät ein Thema wie beispielsweise das des Klimaschutzes erst einmal in’s Rollen, sorgt die Überberichterstattung innerhalb kürzester Zeit – die ja eigentlich nur wenig mehr als ein Abkupfern des bereits Bekannten ist – dafür, dass bestimmte Glaubenssätze und Überzeugungen als einzig wahre Lösungen beim Medienkonsumenten „eingebrannt“ werden. Alternative Ideen haben es nach einer solchen medialen „Intensivbehandlung“ meist schwer.

    Da sich auch die Medien nach ihren Kunden richten müssen, besteht auch in den Redaktionen die Gefahr, dass man den Konsumenten lieber das vorsetzt, das bereits common sense ist und womit man als Medium nicht riskiert, Kunden zu verprellen.

    Ich finde es daher sinnvoll, gezielt verschiedene Meinungen einzuholen. Nicht umsonst ist das Konstrukt des advocatus diaboli eine effektive Methode, Themen objektiv zu ergründen. Statt Meinungen nur zu konsumieren, sollte man sich freigeistig seine eigene Meinung bilden!

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