Gedanken von Stephan Heibel: Vom Nobelpreis, staatlicher Intervention und dem nächsten US-Präsidenten

Nobelpreisträger Paul Krugman war stets Bush-KritikerVorgestern hat Paul Krugman den Wirtschaftsnobelpreis erhalten. Krugman ist Professor in Princeton, USA, schreibt gleichzeitig eine ziemlich gute Kolumne für die New York Times. Den Nobelpreis hat Krugman dafür bekommen, dass er gezeigt hat, dass die klassische Wirtschaftstheorie im internationalen Handel ihre Grenzen hat: Nicht immer gewinnt der Standort mit den effizientesten Produktionsbedingungen, stattdessen kann es insbesondere in Ballungsgebieten wie Großstädten individuelle Wünsche nach Diversifikation geben. So können beispielsweise in einer Stadt sowohl der deutsche VW Golf, als auch der japanische Toyota Auris bestehen, obwohl objektiv gesehen vielleicht nur eines der beiden Autos das effizienteste und dadurch beste ist.

US-Präsident George W. Bush ist solch komplexen Theorien gegenüber nicht aufgeschlossen. Für ihn gibt es freie Märkte, die stets die beste Lösung hervorbringen. Unter seiner Führung wurden jede Menge Finanzmarktregeln aufgehoben, die jedoch eine wichtige Rolle inne hatten (siehe Uptick-Rule, naked Shortselling, et cetera im Heibel-Ticker 08/40 vom vergangenen Freitag). Für Bush geht das Wirtschaftswissen über eine einfache Formel nicht hinaus:

„Freie Märkte: gut,
staatliche Interventionen: schlecht!“.

Das recht einfältige Schwarz-Weiß-Denken von Bush zeigte sich schon in seinem Vorgehen beim Krieg gegen den Terror, als er die Welt einfach zweiteilte: „Entweder ihr seid für uns, oder ihr seid gegen uns.“

Meiner Überzeugung nach sind die Probleme der Finanzmärkte, die letztlich zum Crash der Börsen führten, auf das Fehlverhalten der Bush-Administration zurück zu führen. Seit anderthalb Jahren habe ich in meinem Börsenbrief immer wieder Aufrufe gestartet, welche Aktionen erforderlich wären, um einen Crash zu verhindern: viel frühere und heftigere Leitzinssenkungen, viel frühere und klarere Rettungsmechanismen, Transparenz und Konsistenz bei der Vergabe von günstigen Kreditmitteln, und so weiter. Stattdessen ließen Bush und seinen Mannen (Finanzminister Hank Paulson, Notenbankchef Ben Bernanke, New York Fed-Chef Timothy Geithner, Börsenaufsichtschef Christopher Cox) am Markt immer wieder neue Pleiten in der Finanzbranche zu und sprangen erst dann mit Not-Aktionen zu Hilfe, als das Kind schon in den Brunnen gefallen war.

Schlimmer noch: Manchmal halfen sie, wie bei AIG, und manchmal nicht, wie bei Lehman Brothers. Irgendwann wurde das Verhalten nicht nur brutal kapitalistisch, sondern letztlich unberechenbar. Die Ereignisse wuchsen der Bush-Administration schließlich über den Kopf. Es wurde versucht, ohne Interventionen zu helfen. Moral hazard sollte vermieden werden, bleibende Verzerrungen der Branchen durch staatliche Eingriffe waren ein Tabu. Doch das führte nicht zum Erfolg. Schlimmer noch: Milliarden von US-Steuergeldern wurden vom Markt aufgesogen, ohne eine Wirkung zu zeigen. Steuergelder, die doch der konservative Bush eigentlich schonen möchte.

Ich bin nun wahrlich kein Linker (und damit wohl eine Ausnahme unter den deutschen Journalisten). Aber George W. Bush hat es mit seinem Turbokapitalismus geschafft, der Welt zu zeigen, dass ungezügelter Kapitalismus nicht funktioniert. Für mich ist das die Lehre aus diesem Crash. So, wie es mir eine Lehre aus dem Zusammenbruch der DDR war, dass erzwungener Kommunismus nicht funktioniert.

Was wir nun in dieser fortgeschrittenen Phase des Finanzmarktchaos brauchen hat uns der britische Premierminister Gordon Brown vorgemacht und Angela Merkel hat als erste Europäerin verstanden, wie gut das war: Banken werden nun teilverstaatlicht. Der Staat übernimmt Anteile an problematischen Banken, garantiert deren Kredite und Verträge, nimmt sich jedoch ein Einflussrecht heraus. Managergehälter werden vermutlich gedeckelt werden, die Banken werden zur Kreditvergabe gezwungen, weil das wichtig für eine funktionierende Wirtschaft ist.

Diese Lösung wurde vom Markt, der die Nase von der freien Marktwirtschaft nach amerikanischem Vorbild gestrichen voll hat, so begeistert aufgenommen, dass heute die Bush-Administration keine andere Wahl hatte, als die gleiche Vorgehensweise für die USA zu verkünden. Teilverstaatlichung des Bankensektors durch Präsident Bush zum Ende seiner Amtszeit. Welch eine Schmach für den Kämpfer für Freiheit und Gerechtigkeit. Tja, das ist wohl die Ironie des Schicksals.

Ich lese die Kolumnen von Paul Krugman in der New York Times regelmäßig, seit Bush an die Macht kam und Krugman war vom ersten Tag ein erbitterter Kritiker Bushs. Vielleicht ist die Vergabe des Nobelpreises an Paul Krugman ein dezenter Hinweis der Schweden an die US-Amerikaner: „Verabschiedet Euch von der ungezügelt freien Marktwirtschaft und schaut Euch die komplexe Welt an.“ McCain ist, ganz wie Bush, ein polarisierender Idealist. Obama hingegen frisst sich in Probleme hinein und entwickelt ein Verständnis für die bunte Vielfalt unserer Welt.

Ich denke, die amerikanische Bevölkerung wird ebenfalls zu dieser Erkenntnis gelangen und Obama zum ersten farbigen US-Präsidenten machen. Vielleicht war der Crash der letzte Anstoß, den die Amis brauchten, um über ihren eigenen Schatten zu springen und einen Farbigen zum Präsidenten zu machen. Vielleicht brauchte es einen intellektuellen Tiefflieger wie Bush, um den Weg für Obama zu ebnen. Wie dem auch sei, drücken wir ihm die Daumen.

So, das waren nun ein paar Gedanken zum aktuelle Geschehen. Mehr und konkreteres zum Börsengeschehen finden Sie in meinem Börsenbrief Heibel-Ticker, den Sie hier kostenfrei und unverbindlich abonnieren können.

6 Gedanken zu „Gedanken von Stephan Heibel: Vom Nobelpreis, staatlicher Intervention und dem nächsten US-Präsidenten

  1. Nico Popp

    Schöner Kommentar! Es wird Zeit, dass die Ideologien dem Pragmatismus weichen und sich die Welt vom Schwarz-Weiß-Denken verabschiedet. In einem Punkt muss ich aber widersprechen: So wenige Journalisten, die nicht links sind, gibt es gar nicht! 😉 Wenn man die Krise als Zäsur versteht, brechen diese Einteilungen sowieso bald auf. Zu hoffen wäre das.

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  2. Eric Amarelo

    Hoffentlich „brechen diese Einteilungen“ nicht auf. Was wäre dann zu erwarten? Ein Einheitsbrei in der Plitik, wie wir ihn gerade in der „Großen Koalition“ erfahren dürfen. Kein Widerspruch und es läuft nichts mehr, bzw. man geht nochmals den Weg des geringsten Widerstandes und was kommt heraus? Keine Ergebnisse mit Erfolgsaussicht, alle Ergebnisse müssen nach kürzester Frist korrigiert werden, man jagt die Kleinen und verschont die Großen, denn die haben ja Rechtsabteilungen, etc. etc.
    Übrigens bezweifle ich, dass eine Frau Merkel den Herrn Gordon Brouwn verstanden hat. So wie unsere Regierung derzeit (nicht) funktioniert, hat sie nach dem Strohhalm gegriffen – er wird vielleicht ja recht haben.
    Die Milliarden, die hier verbraten werden, weil eine funkitionierende Aufsicht gefehlt hat, bzw. aus Angst (egal ob vor Wählerstimmen oder Parteispenden)nicht praktiziert wurde, zahlt das Volk. Wer wird hierfür zur Verantwortung herangezogen? Wenn ich falsch parke oder zuschnell fahre, werde ich gnadenlos verfolgt.
    Soll noch mal einer von einer „Bananenrepublik“ reden.

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  3. Nico Popp

    @Eric Amarelo: Die Politik geht doch gerade aufgrund von ideologischem Lagerdenken häufig den Weg des geringsten Widerstandes! Ich meine nicht die völlige Auflösung des klassischen Freiheit-Gleichheit-Kontinuums sondern, dass Pragmatismus über allem steht. Die jetzige Krise zeigt doch, dass gute Vorschläge nicht aus einem bestimmten Lager kommen müssen. Ich wünsche mir, dass sinnvollen Vorschlägen auch einmal parteiübergreifend zugestimmt wird und das auch mal in Situationen, bei denen weniger auf dem Spiel steht als beim deutschen Rettungspaket.

    A propos deutsches Rettungspaket: Hier hat man wieder das Fähnchen vorher in den Wind gehalten. Ich halte die Deckelung der Managerbezüge als Bedingung für eine Teilnahme am staatlichen „Bankenkaufprogramm“ äußerst problematisch. Die guten Institute werden so versuchen, ohne staatliche Hilfe auszukommen. So weiß der Markt, dass diejenigen Banken, die auf die Kapitalspritzen angewiesen sind, richtig schlecht dastehen. Das ist in meinen Augen keine Stützung des gesamten Sektors, sondern eine Form der Selektion. Wollten wir nicht ganz allgemein Vertrauen schaffen?

    Das soll nicht heißen, dass man keine Strukturen verändern muss und sollte. Nur nicht jetzt. Jetzt müssen die Scherben weggekehrt werden!

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  4. Eric Amarelo

    Mit den Beiträgen 3 und 4 bin ich durchaus einverstanden. Aber man sieht doch wieder den „Neidfaktor“ und die Unbedarftheit in Wirtschaftsfragen. Ein guter Manager, der kein adäquates Einkommen erzielt geht ins Ausland und was bleibt uns dann? Dann wird’s noch schlimmer mit unvermögenden Politikern und Managern.

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  5. Stephan Heibel

    Gepaart mit der Veränderung der Bilanzierungsregeln dahingehend, dass man beispielsweise Immobilienderivate nicht mehr auf den Ausverkaufpreis der Pleite gegangenen Nachbarbank abschreiben muß, könnte eine Kappung der Managergehälter dazu führen, dass die Bilanzen wieder hoffnungslos geschönt werden, um dem Staat zu entgehen … und so wird das zarte Pflänzlein „Vertrauen“ gleich wieder zertreten.

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  6. klaus

    Ich bin mir nicht sicher, ob man es als ungezügelten kapitalismus bezchnen kann, wenn sich die Manger auf Kosten der Aktionäre bereichern, wie es in den USA ja der Fall ist. Die Aufsicht in den USA hat leider versagt und so ein riesiges ponzi schema ermöglicht, bei dem gerade die luft abgelassen wird.

    In Deutschland hat sich politik und ausfsicht nicht gerade mit Ruhm bekleckert, die Landesbanken haben sich anscheinend darauf spezialisiert steuermittel
    zu veschwenden, das hätte man auch ohne internationale beteiligung verhindern können, das haben uns die spanier vorgemacht.

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