Psychologie: Warum wiederholen wir Trading-Fehler?

Im Leben wiederholen wir viele Fehler, so auch beim Trading; angeblich scheitern über neunzig Prozent aller Trader daran. Ist es aber berechtigt, sich selbst deswegen als „dumm“ zu bezeichnen? Ich sage klar „Nein“, denn die Wiederholung von Fehlern kann unterschiedliche Gründe haben:

Erstens die lieben Gewohnheiten. Man kann sich die Schuhe zubinden, im Job lenkt man Personen und bekommt erfolgreich sein Gehalt und hat das meiste scheinbar unter Kontrolle. Nur sind diese Verhaltensweisen hundertfach wiederholt, die uns die alltäglichen Erfolge und Vorteile bringen. Diese Gewohnheiten aber hindern uns daran, neue oder bessere Verhaltensweisen neutral zu bewerten und die Sorte Literatur „Du bist ok, so wie du bist“ fördert diese Sackgassen nur noch. Wir sind uns nicht im klaren, welche und wieviele Gewohnheiten unser Handeln überhaupt bestimmen. Das Gehirn kann die Konsequenzen neuer Situationen nicht richtig einschätzen und wir handeln nur aufgrund unserer Erfahrungen. Was aber soll ein Trader ohne jahrelange Erfahrung mit all den vielen Chartmerkmalen oder gar Sondersituationen wie politischen Krisen anfangen? Er ist beinahe gezwungen, Fehler zu machen! Bei einem lernenden Azubi in einer Firma ist das selten so teuer wie beim Trading und damit wird auch klar: Eine mehrjährige Ausbildung gehört auch beim Beruf „Trader“ dazu.

Zweitens die Vergesslichkeit. Haben Sie, geschätzter Leser, alle Folgen all Ihrer Handlungen in der Erinnerung parat? Sie werden noch nicht mal alle Ihre Tradingerlebnisse im Kopf haben, vom Rest des Lebens ganz zu schweigen. Selbst die IQ-Weltmeister sagen, beim Lernen zählen nur „Die drei großen W – Wiederholen, wiederholen und wiederholen!“ Informationen verschwinden aus unserem Gedächtnis, weil wir die Informationsflut sonst nicht verarbeiten könnten. Die Kehrseite ist aber nun klar: Wir wiederholen auch Fehler! Ich empfehle daher, unbedingt ein Trading-Tagebuch zu benutzen. Spitzenverkäufer tun dies und analysieren so im nachhinein den Gesprächsverlauf, ein Glückstagebuch führt uns 365 Tage bewusst vor Augen, was wir jeden Tag Schönes erlebt haben. Ebenso wird dieses Trading-Tagebuch funktionieren: Es macht uns Fehler bewußt, vermeidet so häufige Fehlerwiederholungen und betont darüber hinaus die Erfolge.

Drittens fehlt uns das Wissen. Wir machen erneut den gleichen Fehler, weil wir keine andere Handlungsalternative kennen und wundern uns dann, dass das Geld weg ist. Es fehlt das Wissen über Charttechnik, Volkswirtschaft, Tools, Realtime, Finanzinstrumente, das Vorhandesein von stop-loss, futures, puts. Erst aus diesem Wissen heraus kann ein Mensch neue Lösungen überhaupt entwickeln, und angepasst auf seinen Charakter ergibt dies schließlich auch die Trading-Strategie.

Viertens werden wir laut Freud neben dem Sexualtrieb vom Wunsch nach Anerkennung getrieben. Will ich mit meinen Tradingerfolgen Geld anhäufen, Villa und Yacht kaufen und Neid/Anerkennung erzeugen? Will ich Anerkennung vom Empfänger erhalten, wenn ich Gewinne spende? Will ich eine Familie gründen und für die hübsche Frau und netten Kinder gelobt werden? Will ich dem ersten Motiv nachgehen? Will ich selber stolz auf meine guten Trades sein? Der Wunsch nach irgendeinem dieser Motive ist immer da – und er arbeitet Hand in Hand mit Gier und Selbstüberschätzung. Die ersten Trades sind gut und die nächsten werden dann bestimmt auch klappen, obwohl ich mich nicht mehr in Trends bewege? Obwohl der Markt dreht, die Zinsen steigen, ich nur auf bisherige Finanzinstrumente setze und nicht dazulernen will? Darüber hinaus entscheiden wir uns öfter als uns lieb ist – wider besseren Wissens – wie ein Hazadeur für eine suboptimale Option. Dabei kommt der Mensch in uns durch, denn der Mensch ist sehr stark auf Bedürfnisbefriedigung programmiert und dagegen kommt oft alles Wissen nicht an, denn es gehört zu unseren Überlebensprogrammen. Oder sind wir alle Startrader und verkneifen uns das Tiramisú zum Nachtisch?

Zusammengefasst sehen Sie, dass die Spitzentrader nicht umsonst immer und immer wieder auf ein Wort zurückkommen: Disziplin.

Matthias K. Bittrich ist Daytrader, unabhängiger Finanzmakler und Seminarleiter.

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