Rohstoffspekulationen: Die Kehrseite der Medaille

In Boomzeiten der Finanzmärkte gerät der Rohstoffmarkt leicht in Vergessenheit. Umso mehr zwingen heute die weltweite Finanzkrise, die Turbulenzen an den Wertpapierbörsen und die wachsende Angst vor der Inflation immer mehr Anleger in Rohstoffe zu investieren. Waren im Jahr 2000 gerade mal 5 Milliarden Dollar in verschiedenen Rohstoffen angelegt, sind es mittlerweile weit mehr als 300 Milliarden Dollar, wie vor kurzem von den Spezialisten für Rohstoffhandel und Rohstoffinvestments bei der Commerzbank zu hören war. An der weltweit größten Börse für Rohstoffe „LME“ (London Metal Exchange) wechseln mittlerweile Tag für Tag Metalle (vor allem Kupfer, Nickel und Zink) für mehr als 30 Milliarden Dollar den Besitzer. Neben der Nachfrage nach Industrierohstoffen ist das Interesse für Agrarrohstoffe enorm gestiegen.

Stark steigende Preise sind bekanntlich die Folge einer stark steigenden Nachfrage. Allerdings sind die Gründe für steigende Preise für Agrarrohstoffe vielschichtig und sehr komplex. Für plötzliche Preisexplosionen bei Agrarrohstoffen sind in der Regel Missernten (beispielsweise wegen lang andauernden Trockenheit oder anderer Wetterkapriolen) oder komplette Ernteausfälle (z. B. wegen Überflutungen oder anderen schweren Naturkatastrophen) verantwortlich. Dagegen sind die langfristigen Preissteigerungen auf ganz anderen Faktoren zurückzuführen: Allen voran die rasant wachsende Weltbevölkerung und der steigende Bedarf an Nahrungsmitteln. Doch hinzu kommt zum einen die begrenzte Verfügbarkeit der Agrarrohstoffe und zum zweiten die Tatsache, dass Agrarrohstoffe mittlerweile als eine eigene, dabei sehr attraktive, Assetklasse an der Börse angepriesen werden.

Pakistan steckt hinter dem hohen Weizenpreis

Rohstoffe schlagen derzeit für viele Anleger die klassische Investition in Aktien, Fonds und Anleihen. Agrarrohstoffe sind für sie zu Anlage- und Spekulationsobjekten geworden. Die Rohstoffspekulation wird also nicht mehr allein von institutionellen Investoren getrieben, sondern auch den Privatanlegern schmackhaft gemacht. Somit sind Rohstoffspekulanten an den steigenden Preisen maßgeblich beteiligt. Als Beispiel kann der Weizenpreis unter die Lupe genommen werden. Anfang September sind die Preise für viele Agrarrohstoffe dramatisch gestiegen, doch am stärksten der Weizenpreis.

Was steckt dahinter? Pakistan! Pakistan ist einer der größten Weizenanbauer in Asien, Weizen ist zudem das Hauptnahrungsmittel von Pakistans Bevölkerung. Doch die verheerende Flut in Pakistan hat voraussichtlich über 500000 Tonnen Weizen vernichtet und die Aussaat für das Wintergetreide gestoppt. Hinzu kam der Exportstopp Russlands. Pakistan braucht viel Weizen, die Nachfrage nach Weizen ist riesig, der Weizenpreis steigt. Zur Freude der Agrarrohstoffspekulanten und der US-Farmer, die von der momentanen Weizenknappheit ebenfalls Profit schlagen können.

Agrar-Spekulation: Stärkere Regulierung geplant

Angepriesen werden die Warentermingeschäfte, die ursprünglich zur Absicherung der zukünftigen Erträge der Landwirte ins Leben gerufen wurden. Doch die heutigen Rohstoffspekulationen sind weit davon entfernt. Die Agrarrohstoffpreise werden gewollt manipuliert, damit Spekulanten von deren Volatilität profitieren. Die schlimmen Folgen der Rohstoffspekulationen sind: Die Grundnahrungsstoffe werden für die Ärmsten unbezahlbar, täglich sterben weltweit tausende Menschen in Entwicklungsländern an Hunger oder Unterernährung.

Weltweit wird der Ruf nach einem Stopp der Rohstoffspekulationen laut. Die Europäische Union will demnächst auf Initiative von Frankreich (das ab November 2010 die G20-Präsidentschaft übernimmt) den „extremen Preisschwankungen im Bereich der Agrarrohstoffe“ energisch entgegenwirken. Auch die Bundesregierung spricht sich für eine stärkere Regulierung der Spekulationsgeschäfte mit Rohstoffen, vor allem mit Agrarrohstoffen. Experten sind der Meinung, dass das Problem nur gemeinsam von Industrie- und Schwellenländer zu lösen ist.

2 Gedanken zu „Rohstoffspekulationen: Die Kehrseite der Medaille

  1. Markus

    Sehr interessanter Beitrag zu Rohstoffspekulationen. Ich wäre auch dafür, dass die Spekulationen stärker kontrolliert werden. Es kann einfach nicht sein, dass an der Börse damit so frei spekuliert wird und eine derartige Beeinflussung stattfindet.

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  2. fluffy

    Also den hohen Weizenpreis würde ich in erster Linie den Bränden in Russland zuordnen und in 2. Instanz erst Pakistan. Russland hatte mit den Bränden enormen Ernteausfall zu beklagen und muss nun sogar importieren statt ihre eigene Produktion zu exportieren…

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