„Arcandor ist auf dem Weg nach oben, zum Premium-Anbieter.“ So beschrieb der ehemalige Arcandor-CEO Thomas Middelhof noch vor zwei Jahren die Strategie des Handels- und Touristikkonzerns. Unter dem neuen Vorstandsvorsitzenden Karl-Gerhard Eick macht Arcandor auf diesem Weg nun einen großen Schritt zurück: Der Manager gab bekannt, 115 Quelle-Technikcenter, rund 1500 Quelle-Shops sowie acht Karstadt-Filialen zur Disposition stellen zu wollen. Einer Ausgliederung aus dem Konzern könnte auch ein Verkauf der Ladengeschäfte folgen. Insbesondere die angestrebte Trennung von den Premium-Filialen in Berlin, Hamburg und München gibt angesichts der noch von Middelhof verfolgten „Luxus-Strategie“ zu denken. Künftig wird sich Arcandor wieder an der gesellschaftlichen Mitte orientieren und versuchen, dort Kunden zu gewinnen. Doch gibt es diese Mittelschicht mit Einkommen zwischen 70 und 150 Prozent des Durchschnittseinkommens überhaupt noch?
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) stellte bereits im vergangenen Jahr eine Erosion der Mittelschicht fest. In einer Studie heißt es: „Ihr Anteil an der gesamten Bevölkerung ging von 62 Prozent im Jahr 2000 auf 54 Prozent im Jahr 2006 zurück.“ Dabei rutschte ein Großteil der Personen aus der Mittelschicht in die Unterschicht ab. Nur einem geringen Anteil gelang der gesellschaftliche Aufstieg. Es dürfte also nicht mehr lange dauern, bis nur noch weniger als die Hälfte der Deutschen Bevölkerung Teil der Mittelschicht sind. Arcandor setzt mit seiner neuen Strategie also auf eine schrumpfende Bevölkerungsgruppe.
Hinzu kommt, dass die Einkommen der Personen aus der Mittelschicht seit Jahren stagnieren – „etwa 14 Prozent der Mittelschicht des Jahres 2002 befand sich 2006 im Bereich der Armutsgefährdung“, so das DIW. Dass der Erhalt des sozialen Status diesen Personen wichtiger ist, als ein Einkauf in einem Warenhaus, zeigen auch die Statistiken des Einzelhandels: Der Marktanteil der Discounter nimmt im Vergleich zu großflächigen Einkaufszentren seit Jahren stetig zu.
Ruf nach Staatshilfen weiterhin nicht ausgeschlossen
Zwar wird die Mittelschicht allein schon qua definitione langfristig die größte Bevölkerungsgruppe Deutschlands sein, doch hemmt insbesondere die Angst vor dem sozialen Abstieg das Konsumverhalten. Berechenbar ist Arcandors neue Zielgruppe daher kaum. Dennoch will sich der Handels- und Touristikkonzern die geplante Restrukturierung Millionen kosten lassen: Neben Verbindlichkeiten im Umfang von 650 Millionen Euro, die im Juni refinanziert werden müssen, seien in den kommenden fünf Jahren weitere 900 Millionen Euro nötig, um Arcandor am Leben zu erhalten.
Derzeit führt CEO-Eick Gespräche mit den Großaktionären Madeleine Schickedanz und der Bank Sal. Oppenheim und stellt den Anteilseignern unter anderem Synergieeffekte beim Einkauf in Aussicht. Außerdem solle die profitable Touristik-Tochter Thomas Cook gehalten werden, so Eick. Dennoch schließt der Manager den Ruf nach Staatshilfen für Arcandor nicht aus. Die möglichen Geldgeber für Arcandor tun gut daran, den radikalen Sanierungsplan für das Unternehmen streng zu prüfen und insbesondere die neue Zielgruppe Arcandors kritisch zu hinterfragen.
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Nun droht also auch dem nächsten Konzern die Schließung.
Ich muss sagen, das ich nicht ganz verstehen kann warum sich der Staat weigert unter die Arme zu greifen
schließlich sind viele Arbeitsplätze betroffen und irgendwann sind alle Großen und langjährigen Unternehmen
weggewirtschaftet und dann stehen wir da.
Ich mein GM hat sich auch meherer Jahre mehr schlecht als recht gehalten und die wurden auch in letzter Minute aus Staatsgeldern gerettet.
Ich finde das kann man auch im Fall von Arcandor machen.
Ich sehe das teilweise ähnlich: Ebenso wie Arcandor schon seit Jahren als angeschlagen gilt, war das auch bei GM und Opel. Dieser „Staatshilfen-Stichtag“ 1. Juli 2008 ist schon lächerlich. Fakt ist, dass es für jedes angeschlagene Unternehmen deutlich einfacher wäre, befänden wir uns in einer weltweiten Boomphase. Im Detail weiß ich allerdings nicht, ob die Rettung von Arcandor wirklich sinnvoll ist. Natürlich wäre es das Beste, wenn die Jobs erhalten blieben. Allerdings ist das Geschäftsmodell gescheitert und bedarf einer Neuausrichtung. Diese ist wohl im Rahmen einer Filetierung der Warenhaus-Sparte (Warenhäuser an Kaufhof, Karstadt-Sport an Otto) besser zu erreichen.