Der Name Schiesser steht vornehmlich für ein Produkt, das nicht gerade sexy, dafür aber ausgesprochen beständig ist: die legendäre Feinripp-Unterwäsche. Erfunden wurde diese spießige Mode bereits im Jahr 1923. Spätestens im 21. Jahrhundert waren es jedoch vornehmlich die Muttis der Nation, die das Geschäft mit dem Qualitätsstoff durch ihre herzerwärmende und wiederkehrende Geschenkidee zu Weihnachten am Leben hielten.
Der größte deutsche Unterwäschehersteller konnte im Jahr 2003 mit der Produktlinie „Schiesser-Revival“ zwar auch noch einmal die Nachfrage für Fein- und Doppelripp ankurbeln. Doch die Söhne im Land wünschten sich schon bald wieder die (viel zu engen) Boxershorts von Calvin Klein oder Bruno Banani zum Fest der Liebe – und sorgten dadurch erneut für sinkende Absatzzahlen beim Traditionsunternehmen.
Die Schiesser AG produzierte daraufhin auch modernere Unterwäsche für Labels mit weitaus mehr Appeal. Doch dieser Ansatz scheiterte ebenfalls: Die Lizenzgeschäfte mit Marken wie Puma oder Tommy Hilfiger brachten nicht den erhofften Erfolg, sondern verursachten vielmehr die finanzielle Schieflage des 1875 gegründeten Unternehmens aus Radolfzell am Bodensee.
Und als im Jahr 2009 schließlich ein harter Winter über das deutsche Land zog, ereilte die mütterliche Feinripp-Front die traurige Botschaft, dass der Unterwäschehersteller, der doch eigentlich die geliebten Söhne auf ewig warm halten sollte, selbst im Kalten stand: Nach aufwendigen Restrukturierungen des Unternehmens konnte Schiesser notwendige Anschlussfinanzierungen nicht mehr sicherstellen und musste schließlich am 9. Februar 2009 die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragen.
Vom Feinripper zum Börsenliebling?
Annähernd 500 Gläubiger warten seitdem auf eine möglichst hohe Rückzahlung ihrer Forderungen von insgesamt gut 65 Millionen Euro. Immerhin konnte Schiesser dank starker Internetverkäufe und konsequenter Sparmaßnahmen bis Ende 2009 wieder schwarze Zahlen schreiben und in den letzten drei Quartalen des Geschäftsjahres sogar ein operatives Ergebnis von rund 3 Millionen Euro erwirtschafteten.
Von einer Zerschlagung des Unternehmens hatten die Gläubiger daher auch früh abgesehen und im Juli 2009 in Abstimmung mit dem Insolvenzverwalter zunächst beschlossen, das traditionsreiche Unternehmen zu verkaufen. Doch seit Sommer 2010 plant der Gläubigerausschuss der Schiesser AG nun einen Börsengang des Unternehmens. Die endgültige Entscheidung für dieses Vorhaben wird voraussichtlich am 9. Dezember 2010 auf einer entsprechenden Gläubigerversammlung gefällt. Der Gang an den Kapitalmarkt soll im zweiten Quartal 2011 erfolgen und Emissionserlöse von über 80 Millionen Euro einspielen. In diesem Idealfall könnten alle Forderungen zu hundert Prozent bedient und sogar weiteres Kapital in das Geschäft investiert werden.
Der Mann mit dem Staubwedel: Wolfgang Joop
Seit Monaten kursiert in den Medien die Nachricht über einen möglichen Einstieg Wolfgang Joops beim angestaubten Wäschehersteller Schiesser. Nachdem der Modeschöpfer die Geschäftsführung seines Unternehmens Wunderkind abgegeben hatte, wollte er zunächst als Berater bei Schiesser tätig werden. Doch mittlerweile zeigt Joop größeres Interesse am Feinripp und will offenbar eigenes Kapital in das Unternehmen am Bodensee investieren. Marktbeobachter gehen davon aus, dass er eine Beteiligung von bis zu 15 Prozent plant oder sich in Form von Aktienoptionen an das Unternehmen binden wird.
Ob ein Einstieg Joops bei Schiesser zugleich auch bedeutet, dass alle Mütter mit einem Faible für Feinripp ihre Sorgen um das richtige Weihnachtsgeschenk los sind, darf derweil bezweifelt werden. Denn Wolfgang Joop will sich offenbar nicht nur als Investor, sondern auch als neuer Kreativdirektor bei Schiesser engagieren. Damit dürfte die Ära der klassischen Feinripp-Unterwäsche dann wohl endgültig ihr Ende finden.