Die Geschäfte des weltgrößten Energieunternehmens Royal Dutch Shell liefen im bisherigen Jahresverlauf wie geschmiert: Dank einer stabilen Nachfragesituation bei steigenden Öl- und Gaspreisen konnte der Konzern im dritten Quartal 2010 einen Gewinn nach Abschreibungen und Wertberichtigungen von satten 3,46 Milliarden US-Dollar erwirtschaften. Zusätzlich füllt der Konzern zurzeit seine Kriegskasse durch die Veräußerung diverser Aktiva. Mit den finanziellen Mitteln will Shell in Zukunft einen Teil seiner aufwendigen Investitionsvorhaben finanzieren.
Der Free Cashflow steigt…
Bereits zu Beginn 2010 hatte Shell einen Strategiewechsel und in diesem Rahmen auch den Verkauf von Anlagevermögen zur Stärkung der Kapitaleffizienz angekündigt. Nach eigenen Angaben plant der Konzern 2011 Investitionen mit einem Gesamtvolumen von 25 bis 30 Milliarden US-Dollar, während durch das Veräußerungsprogramm sieben bis acht Milliarden US-Dollar in die eigene Kasse fließen sollen. Die Analysten von Morgan Stanley erwarten sogar, dass Shell durch den Verkauf bestehender Aktiva kurzfristig zusätzliche Mittel von rund 25 Milliarden US-Dollar erwirtschaften könnte.
Der Konzern will zukünftig verstärkt in die Erschließung neuer Energiequellen in Australien, China und den USA investieren und mehrere bestehende Erdgas- und Ölfelder im Gegenzug verkaufen. Zuletzt konnte Shell einen erfolgreichen Deal in den USA abschließen: Laut einer Pressemitteilung des Konzerns vom 10. Dezember 2010 wurden mehrere Erdgasfelder im Süden des Bundesstaates Texas für insgesamt 1,8 Milliarden US-Dollar an OXY USA, Inc., einem Tochterunternehmen der Occidental Petroleum Corporation, verkauft. Die Transaktion soll voraussichtlich Anfang 2011 abgeschlossen werden.
…und der Imagewert fällt
Während die Geschäfte des Energiekonzerns 2010 hervorragend liefen und gleich mehrere Analysten dazu veranlassten, noch kurz vor Jahresende ihre Kursziele für die Shell-Aktie zu erhöhen, wurde der Imagewert des Energieriesen im Dezember noch einmal schwer beschädigt. Die Geschäftspraktiken von Shell wurden in der Vergangenheit bereits mehrfach von Umweltschützern und Menschenrechtsorganisationen kritisiert und der Konzernführung immer wieder vorgeworfen, für die Umsetzung ihrer geschäftlichen Interessen auch mit Militärregimes zu kooperieren und sogar Bürgerkriege zu finanzieren.
Besonders aus Nigeria, wo das niederländisch-britische Unternehmen bereits seit über 60 Jahren aktiv ist, kommen regelmäßig Meldungen über schwere Umweltzerstörungen, Massenproteste und Unruhen sowie über Hinrichtungen und Vertreibungen der Bevölkerung durch Regierungstruppen oder mobile Polizeieinheiten, die vom Shell-Konzern finanziert wurden. Und auch die aktuellen Vorwürfe betreffen die dubiosen Geschäftspraktiken des Konzerns im wichtigsten erdölexportierenden Land Afrikas. Auf der Internetplattform Wikileaks wurden Aufzeichnungen eines Gesprächs zwischen US-Diplomaten und der langjährigen Shell-Managerin Ann Pickard veröffentlicht, worin diese ohne Umschweife die Verbindungen des Konzerns zu allen relevanten Ministerien in Nigeria bestätigt haben soll.
Royal Dutch Shell bezeichnete die Vorwürfe umgehend als „absolut unwahr“, lehnte jedoch jeden weiteren Kommentar strikt ab. Ein professioneller Umgang mit den aktuellen Vorwürfen ist jedoch keineswegs verwunderlich, denn schließlich kennt sich der Energiekonzern bereits seit Jahrzehnten mit internationaler öffentlicher Kritik aus. Allerdings wird Shell in den kommenden Monaten wohl oder übel – und ähnlich wie sein Mitbewerber BP, dessen Ruf von der jüngsten Ölkatastrophe im mexikanischen Golf stark beschmutzt wurde – einige Millionen aus seiner vollen Kriegskasse für die Imagepflege aufbringen müssen.
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Ich empfehle den aktuellen SPIEGEL Online-Artikel zu dem Themankomplex, der die Verhältnisse in Nigeria zutreffender zu beschreiben scheint.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,733854,00.html
Darin heisst es:
Im Delta hat sich über die Jahre eine mafiöse Struktur herausgebildet:
– Kidnapper, die mit den Behörden unter einer Decke stecken;
– militärische Sondereinheiten, die manchmal die Rebellen im Delta bekämpfen, häufig aber ebenfalls am Ölgeschäft teilhaben;
– Rebellen, die vordergründig die Ölmultis attackieren, deren Netzwerke in Wahrheit aber Öl verkaufen und Polizeischutz genießen;
– eine politische Elite, die gut von den Verhältnissen lebt.
Wer nun tatsächlich der Meinung sein sollte, dass diese mafiösen Strukturen nur im afrikanischen Nigerdelta existieren, sollte mal bei seinem Shell-Pächter um die Ecke anklopfen und nach ständigen einseitigen Vertragsänderungen zum Pächternachteil, Gewinnabschöpfungen, überteuerten Zwangseinkäufen für das Shopgeschäft und entschädigungslose Zwangsenteignungen vom Eigengeschäft fragen.
Höchstwahrscheinlich wird es aber keine ehrliche Antwort geben, es sei denn, der Pächter hätte vor, seinen „flexiblen“ Pachtvertrag sowieso aufkündigen zu wollen. Er könnte allerdings garantiert diese Auzählung noch wesentlich ergänzen.
Ja, bei uns in Europa, also vor der eigenen Haustür sozusagen, ist dieser Terror und die Willkür noch nicht ganz so offensichtlich und ausgeprägt wie in Afrika. NOCH NICHT!
Bin echt gespannt wie es mit Shell weitergeht. Wahrscheinlich geht man zu business as usual über. Über die Öl-Katastrophe spricht doch kaum noch einer! Eigentlich ein Skandal aber money rules the world 🙂