Signalwirkung für Frick-Prozess? Bundesgerichtshof entscheidet pro Pressefreiheit

Bundesgerichtshof in Karlsruhe: Altmeldungen werden 'anerkennenswertem Interesse der Öffentlichkeit' gerecht (Foto: Kucharek, Wikipedia)Bereits seit Monaten muss sich das Team um Aktien-Blog mit einer Klage des Börsenbriefschreibers Markus Frick befassen. Dabei geht es um die Frage, ob Onlinemedien für Inhalte in alten Artikeln haften müssen, die mittlerweile nicht mehr den Tatsachen entsprechen. Im Fall der Klage von Markus Frick gegen Aktien-Blog in Person des leitenden Redakteurs Nico Popp waren diese veränderten Tatsachen nicht einmal publik – es war Aktien-Blog also gar nicht möglich, den knapp ein Jahr alten und mit Erscheinungsdatum versehenen Artikel zu ändern. Außerdem ist es für Onlinemedien nicht praktikabel, Altmeldungen ständig zu aktualisieren. Das jüngste Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe stützt nun unsere Argumentation.

Das Gericht hat die Klage zweier verurteilter Straftäter abgewiesen, die von einem Radiosender verlangt hatten, Archivbeiträge, in denen die Klarnamen der Kläger genannt wurden, zu löschen. Zuvor hatten sowohl das Landgericht (LG) Hamburg als auch das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg den Klägern Recht gegeben – beide hanseatischen Urteile wurden durch den BGH aufgehoben.

Dabei stellt das oberste Bundesgericht in Zivil- und Strafsachen explizit das öffentliche Informationsinteresse und die Pressefreiheit über das Persönlichkeitsrecht der Kläger: „Zwar liegt in dem Bereithalten der die Kläger identifizierenden Meldung zum Abruf im Internet ein Eingriff in deren allgemeines Persönlichkeitsrecht. Der Eingriff ist aber nicht rechtswidrig, da im Streitfall das Schutzinteresse der Kläger hinter dem von der Beklagten verfolgten Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung zurückzutreten hat.“ Dabei hat der BGH auch den Zeitpunkt der Einstellung der beanstandeten Meldung berücksichtigt und spricht gekennzeichneten Altmeldungen eine Funktion als Zeugnisse des Zeitgeschehens zu.

Aktien-Blog wird sämtliche Möglichkeiten ausschöpfen

Auch sieht der BGH durch die Urteile der Vorinstanzen die Pressefreiheit bedroht: „Das von den Klägern begehrte Verbot hätte einen abschreckenden Effekt auf den Gebrauch der Meinungs- und Medienfreiheit, der den freien Informations- und Kommunikationsprozess einschnüren würde. Würde auch das weitere Bereithalten ausdrücklich als solcher gekennzeichneter und im Zeitpunkt der Einstellung zulässiger Altmeldungen auf dafür vorgesehenen Seiten zum Abruf im Internet nach Ablauf einer gewissen Zeit oder nach Veränderung der zugrunde liegenden Umstände ohne weiteres unzulässig und wäre die Beklagte verpflichtet, von sich aus sämtliche archivierten Hörfunkbeiträge immer wieder auf ihre Rechtmäßigkeit zu kontrollieren, würde die Meinungs- und Medienfreiheit in unzulässiger Weise eingeschränkt.“

Das jüngste Urteil des BGH sowie die Urteilsbegründung ermutigen uns, die juristische Auseinandersetzung mit Markus Frick notfalls auch vor das höchste Gericht zu treiben. Inwieweit das Urteil zugunsten der Pressefreiheit bereits Einfluss auf die hanseatische Rechtspraxis haben wird, ist zwar unklar, doch haben wir uns dazu entschieden, sämtliche juristischen Möglichkeiten auszuschöpfen. Auch die Unterstützung und der Zuspruch zahlreicher Leser haben diese Entscheidung in den vergangenen Monaten reifen lassen.

2 Gedanken zu „Signalwirkung für Frick-Prozess? Bundesgerichtshof entscheidet pro Pressefreiheit

  1. buttgru

    Das Urteil ist nur zu begrüßen.
    Natürlich muss bei jeder Veröffentlichung abgewogen werden zwischen Presse/-Informationsfreiheit und dem Interesse der Öffentlichkeit einerseits und dem Schutz der Persönlichkeitsrechte andererseits.
    Aber es kann nicht angehen, dass Veröffentlichungen, die einmal rechtens waren, später geändert werden müssen. In voller Konsequenz hieße das nämlich auch, dass Zeitungen die in Ihren Archiven lagernden Ausgaben regelmäßig überarbeiten müssten.
    1984 lässt grüßen.

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