In der Medien- und Internetbranche gibt es noch Erfolgsgeschichten und Zukunftsfantasien: Das französische Immobilienportal Seloger steigerte in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 2010 mit 1,1 Millionen Immobilieninseraten seinen Umsatz um knapp 13 Prozent auf über 60 Millionen Euro. Satte 52 Prozent davon konnten die Franzosen als Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) verbuchen. Und in Zukunft will Seloger weiter wachsen: Der Nettogewinn soll in den kommenden drei Jahren verdreifacht werden.
Bei diesen Aussichten ist das große Interesse des deutschen Axel-Springer-Verlags an Seloger kaum verwunderlich, zumal auch die Berliner Fantasie haben: Springer setzt verstärkt auf digitale Medien, generiert bereits heute rund ein Viertel seines Umsatzes mit Online-Formaten und will spätestens in sieben Jahren die Hälfte seines Gewinns über das Internet erwirtschaften.
Darüber hinaus könnte der deutsche Medienkonzern bei einer Übernahme von Seloger zusätzliche Synergien mit eigenen Immobilienportalen wie der Internetseite Immonet erzeugen. Keine schlechten Aussichten also – wenngleich die aktuelle Springer-Offerte fast das Achtfache vom Jahresumsatz des französischen Immobilienportals beträgt.
12%iger Aufschlag stimmt Franzosen prompt freundlich
Bereits im September des vergangenen Jahres hatte die Führung des Springer-Konzerns mit den Portalgründern Amal Amar und Denys Chalumeau einen Kaufpreis von 34 Euro je Seloger-Aktie vereinbart und zu diesem Kurs auch gleich 12,4 Prozent der Anteile erworben.
Heftiger Widerstand folgte jedoch vom Großaktionär und Aufsichtsratsmitglied Bernard Arnault, der die Offerte von 34 Euro je Aktie als eindeutig feindlichen Übernahmeversuch deutete. Das Management von Seloger reichte sogar eine Klage gegen die Angebotsgenehmigung der französischen Börsenaufsicht ein und plante am 20. Januar 2011 eine außerordentliche Hauptversammlung, auf der die Aktionäre schließlich über das weitere Vorgehen abstimmen sollten.
Doch zu dieser Abstimmung wird es nicht mehr kommen, denn der deutsche Medienkonzern hat seinerseits die Offerte bereits um 12 Prozent erhöht und bietet nunmehr 38,05 Euro je Aktie. Springer müsste bei diesem Angebotspreis 70 Millionen Euro mehr zahlen, um die angestrebte Beteiligung von 50,01 Prozent zu erreichen und somit auch die Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder stellen zu können. Der jetzige Aufsichtsrat in Paris akzeptierte die revidierte Offerte umgehend, sagte prompt die außerordentliche Hauptversammlung ab und empfiehlt nun auch den Aktionären den Verkauf ihrer Anteile an den Freund aus Berlin.